Tradition unterbrochen Das Uniklinikum will ein Zeichen setzen

Homburg · Nach über 25 Jahren findet der traditionelle Neujahrsempfang der Einrichtung erstmals nicht statt. Ein Grund sind die Missbrauchsvorwürfe.

 Der Neujahrsempfang des Universitätsklinikums war immer ein wichtiges Ereignis auf dem saarländischen Terminkalender. Zum ersten Mal seit über 25 Jahren fällt die Großveranstaltung aus.

Der Neujahrsempfang des Universitätsklinikums war immer ein wichtiges Ereignis auf dem saarländischen Terminkalender. Zum ersten Mal seit über 25 Jahren fällt die Großveranstaltung aus.

Foto: Thorsten Wolf

In diesem Jahr wird es zum Monatsende kein Gläserklirren und keine Jazz-Töne im Casino des Uniklinikums geben, denn der Neujahrsempfang fällt aus. Das ist natürlich ein ziemlicher Schlag ins Kontor. Nicht, weil die Gäste auf ein Glas Sekt oder auf ein paar Häppchen angewiesen wären. Aber es war doch über 25 Jahre eine Traditionsveranstaltung, bei der Teilnehmer aus dem gesamten Saarland zusammenkamen – aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, wie es so schön heißt.

Darunter waren verdiente Ehrenamtliche wie die „grünen Damen“ genauso wie Professoren, Gönner und Freunde. Auf die ein Uniklinikum natürlich angewiesen ist, denn es geht dort nicht nur um Krankenversorgung, sondern auch um Forschung. Und die Forschung kann Gönner und Stifter immer gebrauchen. Wo wären all die schönen Wissenschafts- und Nachwuchspreise, wenn sie nicht von der Stadt Homburg, von wohlhabenden Geschäftsleuten und aus dem Nachlass von Bürgerinnen und Bürgern gestiftet worden wären? Kurzum, am Neujahrsempfang einer so bedeutenden Einrichtung wie dem Universitätsklinikum – noch dazu das einzige im Saarland – kommen viele Menschen zusammen, auf deren Wohlwollen und deren Freundschaft das Klinikum angewiesen ist.

Man kann davon ausgehen, dass dem Vorstand des Uniklinikums, bestehend aus dem Ärztlichen Direktor Professor Wolfgang Reith, dem kaufmännischen Direktor Ulrich Kerle, dem Pflegedirektor Wolfgang Klein und dem Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Michael Menger, diese Problematik durchaus bewusst ist.

Trotzdem haben sie sich entschieden, in diesem Jahr nur eine Grußkarte mit einer Erklärung zu verschicken, zu der sie, auch auf mehrfaches Nachfragen unserer Zeitung, keine näheren Auskünfte mehr geben wollten. Zwei Gründe werden in der offiziellen Mitteilung genannt: die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und Geldknappheit. In „Zeiten enormen finanziellen Drucks“, der nicht nur auf dem saarländischen Uniklinikum, sondern auf allen Unikliniken in Deutschland laste, kämpfe man mit finanziell begrenzten Mitteln. „Und wie viele andere Zentren der Hochleistungsmedizin konnten wir entgegen den Vorjahren die schwarze Null nicht erreichen“, heißt es in der Erklärung für den Ausfall des Neujahrsempfangs. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was ein Neujahrsempfang am Uniklinikum des Saarlandes nun tatsächlich kostet, fragten wir dort nach. Doch darum, so erfuhren wir, ging es gar nicht. „Eine Kosteneinsparung durch den Neujahrsempfang war nie Ziel der Absage“, betonte der kaufmännische Direktor, Ulrich Kerle. „Es ist ein verschwindend geringer Kostenfaktor. Es ist das Zeichen, das gesetzt werden soll.“

Und dies betreffe auch den zweiten Punkt, der dazu geführt hat, den Empfang ausfallen zu lassen – nämlich die „Verdachtsmomente sexuellen Missbrauchs der Kinder- und Jugendpsychiatrie in den Jahren 2010 bis 2014“, die aufgearbeitet werden müssten. Das ist in der Tat eine Mammutaufgabe, zumal Akten gesichtet, Zeugen befragt und natürlich mit der Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet werden muss.

Gerade in diesen Tagen beschäftigt beispielsweise der frühere Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der damals der Vorgesetzte des 2016 verstorbenen Assistenzarztes war, der zahlreiche Kinder sexuell missbraucht haben soll, die Gerichte. Gegen diesen Leiter läuft ein internes Disziplinarverfahren. Ende März wird er „aus Altersgründen“ den Lehrstuhl an der Uni aufgeben, heißt es aus dem Dekanat.

Angesichts dieser unerfreulichen Situation, die vermutlich auch in diesem Jahr nicht zur Gänze bewältigt sein wird, betonte Ulrich Kerle, „dass die Diskussion um die Verdachtsmomente von Missbrauch am Uniklinikum nicht geeignet sind einen Neujahrsempfang zu feiern“.

Und wie fasst man die Entscheidung des Klinik-Vorstandes bei der Landesregierung auf, deren Vertreter ja auch immer eine wichtige Rolle auf der Gästeliste spielen?

„Als Wissenschaftsressort und Aufsichtsbehörde haben wir Verständnis für die Entscheidung des UKS-Vorstandes und können die Gründe für den Verzicht auf einen Neujahrsempfang in diesem Jahr durchaus nachvollziehen“, heißt es in einer Erklärung aus der Staatskanzlei.

Man sei sich aber sicher, „dass es im neuen Jahr noch andere Gelegenheiten geben wird, um einer breiten Öffentlichkeit die Attraktivität und das hohe medizinische Niveau der vor Augen zu führen und den Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften und Verwaltungsmitarbeitern, aber auch den Kooperationspartnern und Unterstützern des Uniklinikums für ihr besonderes Engagement zu danken“. Oder, wie es in der Erklärung des Uniklinikums am Ende vielversprechend heißt: „Wir sind auf dem Weg. . .“

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