Unseriöse Kammerjäger machen Kasse mit „Wespenentsorgung“ Schwarze Schafe im Wespen-Geschäft

St. INgbert/Bliestal · Abzocker machen seriösen Schädlingsbekämpfern das Leben schwer – Wespennester sind oft keine Gefahr.

 Wespen fliegen auf ihr Nest zu. Doch keine Panik: Wer ein Wespennest am Haus entdeckt, sollte nichts überstürzen und schon gar nicht in meist unnötiger Eile den erstbesten „Kammerjäger“ aus dem Internet beauftragen.

Wespen fliegen auf ihr Nest zu. Doch keine Panik: Wer ein Wespennest am Haus entdeckt, sollte nichts überstürzen und schon gar nicht in meist unnötiger Eile den erstbesten „Kammerjäger“ aus dem Internet beauftragen.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Wenn sich Wespen am oder gar im Haus niederlassen, dann kann man auch im übertragenen Sinne in ein Wespennest stechen – nämlich dann, wenn man einen Kammerjäger rufen muss, um die ungebetenen Gäste los zu werden. Hilfe von öffentlichen Stellen kann man nämlich in unserer Region nicht erwarten. In Blieskastel erklärt sich zum Beispiel die Feuerwehr in solchen Fällen nur für stadteigene oder sonstige öffentliche Gebäude für zuständig. Auch die St. Ingberter Retter winken für den privaten Bereich ab. Unter den professionellen Schädlingsbekämpfern tummeln sich etliche schwarze Schafe, denen es – mit horrenden Rechnungen – nur ums schnelle Geld geht. „Wespen hatten sich im Rollladenkasten eines Mieters eingenistet und ein faustgroßes Loch ins Schlafzimmer hineingenagt“, schildert ein Betroffener. Was tun? Polizei und Feuerwehr waren nicht zuständig, also schnell im Internet nach einem örtlichen Schädlingsbekämpfer gesucht. Glücklicherweise nahm sich die Ehefrau des Mannes die Zeit, genau hinzuschauen: Bei der Internet-Suche – wir haben es nachgeprüft – findet man dutzende Angebote mit vielen hochtrabenden Erklärungen, die vordergründig aus der Region kommen. Doch sieht man genauer hin, kommen die meisten Angebote „von sonstwo“ – etwa aus Köln, Eschborn oder Kaiserslautern, was dann schon Mal für saftige Anfahrtskosten sorgen kann.

Die Abzocker in seiner Branche sind auch Siegfried Schier ein Stachel im Fleisch. Er führt selbst einen Schädlingsbekämpfungs-Betrieb und ist Vorsitzender des Schädlingsbekämpfer-Landesverbandes Südwest. „Das ist ein ganz verstricktes Netz – da tauchen ständig neue Firmen oder neue Geschäftsführer im Internet auf. Oft sind das gar keine ausgebildeten Schädlingsbekämpfer“, schildert Schier, dem ständig Beschwerden von Menschen zu Ohren kommen, die auf solche Abzocker hereingefallen sind – „gerade hat mir jemand gemailt, dass er für das Entfernen von Ameisen aus dem Haus 800 Euro zahlen sollte“. Und ist erst mal bezahlt, „dann sehen Sie das Geld nie wieder.“

Das Wichtigste sei, ruhig zu bleiben und nicht übereilt zu handeln. „Sehr oft muss das Wespennest gar nicht entfernt werden“, sagt der Schädlingsbekämpfer und liegt damit ganz auf der Linie von Wega Kling, Wespenexpertin und zweite Vorsitzende des Nabu-Ortsverbandes Saarbrücken. Denn zum einen gibt es sehr unterschiedliche Wespenarten, von denen einige genauso friedlich wie Bienen sind oder nur kleine Nester bauen, wie die Sächsische Wespe, die Waldwespe oder die Feldwespe. Zum anderen sind etwas abseits gelegene Wespennester in der Regel unproblematisch. Und wenn Wespen etwa ums Schlafzimmerfenster summen, sorgt ein Fliegengitter oder -netz für Sicherheit. Vor allem aber: Ab September verkleinert sich das Wespenvolk, zwischen Ende Oktober und Anfang November sterben die Tiere und die Königin fliegt aus. Im kommenden Jahr ist das Nest in der Regel dann nicht mehr besiedelt.

Der Nabu-Landesverband und die Ortsverbände beraten auch und besorgen gegebenenfalls Experten, um das Wespennest umzusiedeln, was allerdings, so Wega Kling, eher die Ausnahme und auch nicht immer möglich ist. Und sie hat einen Tipp, was man tun soll, wenn man von einer Wespe umschwirrt wird: „Die Hand langsam vom Gesicht weg bewegen. Meist folgt die Wespe der Bewegung und verschwindet.“ Angelockt werden die Tiere unter anderem von Parfüms.

Wenn nun aber doch der „Kammerjäger“ kommen muss, mit welchen Kosten muss man bei einem seriösen Anbieter rechnen? „So etwa 200 bis 300 Euro“, sagt Schier, ergänzt aber: „Ganz genau kann man das nicht sagen, weil die Situationen vor Ort sehr unterschiedlich sein können“, so könne es bei einem schwer zugänglichen oder sehr großen Nest schon mal teurer werden.

Im Regionalverband bietet auch der Zentrale Kommunale Entsorgungsbetrieb (ZKE) der Stadt Saarbrücken das Beseitigen von Wespennestern an. Der ZKE beschäftigt zwei ausgebildete Schädlingsbekämpfer, die dieses Jahr schon etwa 40-mal im „Wespeneinsatz“ waren, schildert ZKE-Pressesprecher Otto Drossel und ergänzt: „Wir haben dieses Jahr verstärkt Anfragen zur Entfernung von Wespennestern. Ursachen sind der milde Winter und das reichhaltige Nahrungsangebot.“ Die Saison reiche etwa von März bis Oktober. Auf der Preisliste des ZKE sind für „Wespennest-Bekämpfung“ pro Stunde 90 Euro veranschlagt, für die Anfahrt in Saarbrücken 30, im übrigen Regionalverband 50 Euro.

Aber woran erkennt man jetzt einen seriösen Schädlingsbekämpfer? „Daran, dass er Mitglied im Verband ist“, sagt Schier. Ein gutes Zeichen sei auch, wenn der Anbieter seinen Betrieb tatsächlich vor Ort hat. Warnsignale können neben der „falschen Herkunft“ auch übertriebene Panikmache sein, zudem das Betonen eines nach Schiers Ansicht unnötigen „Sofort-Service“. Auch haben die schwarzen Schafe mitunter sehr ähnliche Internetauftritte, die, leicht abgewandelt, mehrmals benutzt werden.

Und der oben zitierte Betroffene? Da ihm – weil die Tiere ins Schlafzimmer eindrangen – Eile geboten schien, hat er, schwer vermummt und dennoch zwei Stiche davontragend, das Nest mit frei käuflichem Wespenschaum verschlossen. „Geht auch, wenn man weiß, wo das Einflugloch ist“, sagt Schier, der aber nicht begeistert von solcher Selbsthilfe ist. Und einen kleinen Satz sagen, unabhängig voneinander, sowohl der Schädlingsbekämpfer als auch die Nabu-Expertin: „Wir brauchen Wespen.“

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