Ruf nach Schnellkursus in Finanzfragen

St Ingbert · Auch wenn die Pro-Kopf-Verschuldung geringer ist als bei allen anderen saarländischen Städten und Gemeinden – St. Ingbert muss sparen. Die Grünen fordern deshalb vor den Haushaltsberatungen für den nächsten Doppelhaushalt ein Einführungsseminar gerade für die vielen neuen Gesichter im Stadtrat. Der Kämmerer will das im Herbst auch machen.

 In St. Ingbert soll Schulung der Stadträte im Vorfeld der Haushaltberatungen verhindern, dass sich der „Pleitegeier“ (hier ein Symbolfoto) auf der Stadtkasse niederlässt. Foto: Thorsten Wolf

In St. Ingbert soll Schulung der Stadträte im Vorfeld der Haushaltberatungen verhindern, dass sich der „Pleitegeier“ (hier ein Symbolfoto) auf der Stadtkasse niederlässt. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Auch Kommunalpolitiker können noch lernen: Die St. Ingberter Grünen fordern die Verwaltung auf, mit einem Einführungsseminar zu Haushaltsfragen neue Stadtratsmitgieder auf ihren ehrenamtlichen Job vorzubereiten. Adam Schmitt, für die Grünen im Stadtrat und ehrenamtlicher Beigeordneter, holt weit aus, um seinen Vorstoß argumentativ zu unterfüttern. Alt-Oberbürgermeister Winfried Brandenburg - der Sozialdemokrat war von 1984 bis 2004 Chef der Verwaltung - habe seinerzeit den Umschwung eingeleitet von einem verschuldeten zu einem konsolidierten Haushalt. Und auch wenn die finanzielle Basis nach der Amtszeit von CDU-OB Georg Jung längst nicht mehr so gut sei, zeige die Brandenburg-Ära doch, dass Kommunen Verantwortung übernehmen könnten.

In Sachen Schuldenstand verweist Schmitt auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Dort findet sich die Mittelstadt auf der statistischen Basis von 2012 tatsächlich als am wenigsten stark verschuldet unter den 52 Städten und Gemeinden wieder. Die Pro-Kopf-Verschuldung weist das Bundesamt mit 2510 Euro aus. Zum Vergleich: Saarbrücken hat den immensen Schuldenstand von 10 668 Euro pro Bürger. Homburg hat demnach 4556 Euro, Neunkirchen 3042 Euro Schulden pro Kopf. Natürlich lobt der Grüne auch die Arbeit der Stadtratsmehrheit der vergangenen Jahre, zu der auch seine Fraktion gehört. Man habe auch "in Zeiten sprudelnder Gewerbesteuernachzahlungen" vielen Begehrlichkeiten getrotzt. Auch im kommenden Haushalt wollten die Grünen ein Garant sein für "den steinigen Weg der Konsolidierung". Der Sparzwang ist groß, Haushaltsfragen sind seit jeher komplex - im Rathaus zeigt man sich deshalb durchaus aufgeschlossen für den Gedanken eines Haushalts-Schnellkurses. Maria Müller-Lang von der Rathaus-Pressestelle erklärt, die städtische Kämmerei befinde sich mitten in der Planung für den Doppelhaushalt 2015/2016. Müller-Lang: "Die Stadträte müssen mitentscheiden und wissen, wo im Haushaltsplan was zu finden ist." Deshalb werde Kämmerer Dieter Detemple in einer der kommenden Ratssitzungen im Herbst eine Einführung in das Haushaltswesen geben. Das habe es zudem 2009 schon einmal gegeben, als der Haushalt von der Kameralistik auf die Doppik umgestellt wurde. Grünenpolitiker Adam Schmitt will aber nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, er nimmt auch die anderen Kommunen, deren Finanzsituation größtenteils deutlich schlechter ist, ins Visier. Besonders die Gemeinde Gersheim , mit St. Ingbert über die Biosphärenzugehörigkeit verbunden, spricht er direkt an: "Es ist schon pikant. Gersheim ist nach den Daten des Bundes höchstverschuldet, leistet sich aber den sechsten Rasenplatz. Und das unter den Augen des Innenministeriums." Gersheim hat laut Statistischem Bundesamtes tatsächlich noch mehr Schulden im Pro-Kopf-Vergleich als die Landeshauptstadt, nämlich stolze 10 839 Euro. Es ist nicht sexy, aber sicher richtig: Gegen wachsende Schuldenberge helfen nur eine veränderte Ausgabenpolitik und schlankere Strukturen. Und wer die Ausgaben der öffentlichen Hand zügeln will, der muss sie zunächst einmal verstehen. In früheren Jahren konnten sich die ehrenamtlichen Stadträte mehr oder minder darauf beschränken, Haushaltsmittel auf die Projekte zu verteilen, die ihnen richtig und wichtig erschienen. Heute ist die Blickrichtung umgekehrt. Wer Geld ausgeben möchte, muss eine richtig gute Idee entwickeln, wo er es wegnehmen kann, ohne allzu große Empörung auszulösen. Im St. Ingberter Stadtrat sind zudem 26 neue Gesichter. Viele erfahrene Streiter haben das Gremium verlassen. Ein Haushaltsseminar wäre deshalb auch mit einem Grund- und Aufbaukursus keine verlorene Zeit.

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