Rollstuhl blockiert Wohnungssuche

Rohrbach · Mit welchen Hürden Rollstuhlfahrer kämpfen, weiß der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Wolfgang Gütlein. Von den laut Landesamt für Soziales 419 „außergewöhnlich gehbehinderten“ Menschen in St. Ingbert, den 105 in Mandelbachtal, den 201 in Blieskastel und den 90 in Gersheim passen sich die meisten ihr Eigenheim so an, wie sie es brauchen, sagt Gütlein. Was dabei zu beachten ist, erzählte er SZ-Redaktionsmitglied Patricia Müller.

 Mit einem Lift überwindet Florian Fromm die Stufen vor seinem Elternhaus. Mutter Rosemarie hilft, wo sie kann. Foto: Jörg Jacobi

Mit einem Lift überwindet Florian Fromm die Stufen vor seinem Elternhaus. Mutter Rosemarie hilft, wo sie kann. Foto: Jörg Jacobi

Foto: Jörg Jacobi

Das schöne Haus, sie müssen es hinter sich lassen. Sie wollen nicht, aber bald müssen sie dort raus. Hinter der Tür mit dem langen Stoffbändel, mit dem Florian immer die Türen zuzieht, herrscht Ungewissheit. Eine Veränderung bahnt sich an. Wann wird der Zeitpunkt kommen, wann finden der Rollstuhlfahrer und seine Mutter eine neue Bleibe?

Rosemarie Fromm muss schlucken, braucht ein paar Sekunden, bis sie die Worte über die Lippen bringt: "Sie wollen in das Haus." Damit meint sie ihren Ex-Mann und seine neue Partnerin. Vor zwei Jahren hat er sie verlassen, im Oktober 2013 teilt er ihr mit, dass er ihr die Hälfte des Hauses ausbezahlen will, wenn sie und Florian ausziehen. Im November ist die Scheidung rechtskräftig. Nach 27 Jahren muss Rosemarie Fromm nun raus, ausbezahlen kann sie nicht. Dabei ist hier alles, wie Florian es braucht: Mit einem Rollstuhl-Lift kann er die Treppen zur Haustür überwinden, durch die 80 Zentimeter breiten Türen kommt er problemlos hindurch, eine Rampe macht auch den Garten für ihn zugänglich. Als Florian vor 23 Jahren mit der Diagnose Spina Bifida ("offener Rücken") auf die Welt kam, baute die damalige Familie das 160 Quadratmeter große Haus um, verkleinerte die Küche, damit das dahinter liegende Bad größer und barrierefrei gestaltet werden konnte. Doch von Mutter, Vater, Kind ist nun keine Rede mehr. Florian, der ab dem Bauchnabel gelähmt ist, hat keine andere Wahl, als mit seiner Mutter das Haus zu verlassen. Denn er braucht Betreuung. Zwar ist er weitgehend selbstständig und arbeitet in der Verwaltung des Saarbrücker Finanzamts, doch braucht er jemanden, der ihm beim Anziehen und der Pflege hilft. Mutter Rosemarie arbeitet drei Mal die Woche für vier Stunden und ist dann für Florian da. Für sich und ihren Sohn wünscht sie sich eine kleinere Eigentumswohnung von etwa 70 Quadratmetern. Etwa 80 000 Euro stehen ihnen inklusive Umbau zur Verfügung. "Die Wohnung soll irgendwann Florian gehören", sagt sie. Beide möchten in St. Ingbert wohnen bleiben, "Florian ist hier voll integriert", so die Mutter. "Klar, würde ich woanders auch Anschluss finden, aber wir müssten uns beide anpassen", erklärt Florian.

Besichtigungen enttäuschen

Doch leichter gesagt, als getan. Sowohl in St. Ingbert, als auch sonstwo: Die Wohnungssuche bleibt vergeblich. Etwa 20 Wohnungen haben die beiden besichtigt. "Behindertengerecht" steht oft in den Anzeigen. Vor Ort kommt dann meist die Enttäuschung: Türen zu schmal, umständliche Eingangsmöglichkeiten für Florian durch Keller oder über steile Rampen, keine Möglichkeit, das Bad umzubauen. Ein solcher Bad-Umbau hat auch seinen Preis. Rosemarie Fromm rechnet mit 10 000 Euro, "alleine ein behindertengerechtes Waschbecken kostet etwa 400 Euro."

Andreas Gaa, Immobilienmakler, erklärt die Wohnungslage in St. Ingbert: Die Nachfrage nach Barrierefreiheit sei "sehr bescheiden". Er schätzt die Zahl der Anfragen in der Stadt etwa auf zehn, "das ist bei 20 000 Haushalten nicht so viel", so Gaa. "Barrierefreie Wohnungen wurden in der Vergangenheit nicht oft passend gebaut. Der Bedarf nach drei Zimmern, Küche und Bad ist 50 Mal höher als nachWohnungen für Rollstuhlfahrer," sagt er. Im Mietpreis lägen laut Gaa barrierefreie Wohnungen etwa 50 Cent bis 1 Euro pro Quadratmeter über dem einer üblichen Wohnung. Barrierefreie Wohnungen zum Kauf - wenn sie denn bereits einzugsfertig zu finden sind - liegen preislich über dem Budget der beiden. Hätte Rosemarie Fromm 125 000 Euro, dann wären sie und ihr Sohn schon längst ausgezogen. Aber sie sagt,"wir geben die Hoffnung nicht auf".

Ab wann ist eine Wohnung tatsächlich rollstuhlgerecht?

Gütlein: Rollstuhlfahrer brauchen Barrierefreiheit. Barrierefrei heißt, dass es keine Hürden innerhalb der Wohnung und auch hinsichtlich der Zugänglichkeit gibt. Eine Wohnung muss niveaugleich zugänglich sein, die Türen breit - um sicher zu sein 90 bis 100 Zentimeter -, das Bad entsprechend mit einer erhöhten Toilette, mit einer Bodendusche ohne Stufen und es muss ein unterfahrbares Waschbecken haben.

Wie viel Geld muss für den Umbau einer durchschnittlichen Wohnung eingeplant werden?

Gütlein: Das ist verschieden. Es kann aber nur geringe Mehrkosten gegenüber einer nicht barrierefreien Wohnung geben. Diese Maßnahmen werden bei der Planung und Finanzierung einer Wohnung nicht groß ins Gewicht fallen.

Was können Rollstuhlfahrer tun, wenn das Geld für einen Umbau zu knapp und das bereits bestehende barrierefreie Wohnungsangebot zu teuer ist?

Gütlein: Bei einer Eigentumswohnung gibt es Zuschüsse der Krankenkasse: pro Maßname rund 2400 Euro. Steuerlich absetzbar sind die behinderungsbedingten Mehrkosten. Außerdem kann man schauen, ob die Wohnung ins Wohnungsbauförderungsgesetz fällt, um ein günstiges Zinsdarlehen zu erhalten, wenn die Vorgaben dafür erfüllt sind.

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