Protestanten setzen auf die Kirchenbasis

Saarpfalz-Kreis · Homburg, Einöd, Zweibrücken, St. Ingbert oder Speyer: In 409 Kirchengemeinden zwischen Blies, Schwarzbach und Rhein sind am 1. Advent, am Sonntag, 30. November, protestantische Gläubige aufgerufen, ihre Vertretungen, die Presbyterien zu wählen. Erstmals ist auch eine flächendeckende Briefwahl möglich.

 Am 1. Advent, Sonntag, 30. November, wählen über 500 000 saarpfälzische und pfälzische Protestanten ihre Vertreter für die Kirchengemeinden. Die Amtszeit der Presbyterien beträgt sechs Jahre. Foto: Landeskirche/PM

Am 1. Advent, Sonntag, 30. November, wählen über 500 000 saarpfälzische und pfälzische Protestanten ihre Vertreter für die Kirchengemeinden. Die Amtszeit der Presbyterien beträgt sechs Jahre. Foto: Landeskirche/PM

Foto: Landeskirche/PM

Am 30. November, dem 1. Advent, sind unter dem Motto "Kirche bewegen" alle Mitglieder der Evangelischen Kirche der Pfalz über 14 Jahren aufgerufen, die Presbyterien ihrer Kirchengemeinde für die kommenden sechs Jahre zu bestimmen. Die Landeskirche führt auch den Namen Protestantische Landeskirche.

"Das Amt des Presbyters ist eines der wichtigsten Ämter der Landeskirche, weil von ihm die Gesamtleitung der Landeskirche ausgehe, unterstreicht der auch für kirchliche Wahlen zuständige Dezernent, Oberkirchenrat Dieter Lutz, im Gespräch mit unserer Zeitung. Viele Mitglieder von Presbyterien übernähmen auch in den Bezirkssynoden und in der Landessynode Verantwortung. Daher sei es von "fundamentaler Bedeutung" eine möglichst hohe Wahlbeteiligung und damit eine breite Legitimation der Gewählten zu erzielen, so Lutz weiter.

Einer, der für das "Parlament an der Basis " kandidiert, ist Henri Franck. Der Präsident der Landessynode der pfälzischen Landeskirche tritt für das Presbyterium der Speyerer Dreifaltigkeitskirchengemeinde an. Er appelliert vor allem auch an junge Menschen, sich die Chance des Mitbestimmens und Mitgestaltens nicht entgehen zu lassen. Dass junge Menschen ab 14 wählen und ab 18 selbst für das Presbyterium kandidieren können, sei als ein Zeichen der Wertschätzung zu verstehen, die ihnen die Kirche entgegenbringe, erklärt Franck, der sich selbst seit seinem 25. Lebensjahr als Presbyter engagiert. Bernd Schuhmacher aus Einöd erklärte aus weltlicher Sicht: "Als ich vor Jahren gefragt wurde, ob ich mir die Mitarbeit im Presbyterium vorstellen könne, dachte ich, dass es eher nichts für mich sei. Nach ein wenig überlegen und einigen Gesprächen, zeigte sich aber schnell, dass Mitglied im Presbyterium zu sein, sich nicht darauf beschränkt, sich regelmäßig bei Gottesdiensten zu zeigen oder heilig durch den Ort zu laufen, sondern dass es viele Arbeiten in der Gemeindeführung gibt, die erledigt sein müssen. Etwa müssen Entscheidungen den Kindertagesstätte betreffend gefällt werden. Es fallen hier Arbeiten an, die natürlich auch von einzelnen Personen oder von Gremien außerhalb des Ortes erledigt werden könnten. Dies ist aber für einen Ort und die Ortsgemeinschaft (weltlich und kirchlich) sicherlich nicht erstrebenswert. Die kirchliche Gemeinde als Teil der weltlichen muss vor Ort präsent sein. Hierfür ist ein Engagement einzelner wichtig und deshalb bin ich Teil davon." Einöd gehört kirchenterritorial zum Dekanat Zweibrücken, kommunalpolitisch zur Stadt Homburg.

Aus theologischer Sicht meint der Kirchenrat Wolfgang Schumacher: "Unsere protestantische Kirche ist eine Volkskirche. Sie ist mitten in der Öffentlichkeit und Lebenswelt der Menschen präsent und baut sich von unten nach oben auf oder, um es in der vornehmen Sprache unserer Kirchenverfassung zu sagen: Die Kirchengemeinden sind der Wurzelgrund protestantischer Identität, "Pflanzstätte evangelischen Glaubens und Lebens". In den Gemeinden wird Glauben gelebt, Kirche greifbar für jeden Einzelnen. Presbyter leiten mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin die Gemeinde. Sie tragen Verantwortung für die Verkündigung, die Seelsorge, den kirchlichen Unterricht, die Diakonie, aber auch für Haushalt und Gebäude. Jeder und jede kann bei uns nicht nur mitdiskutieren, sondern auch mitentscheiden. Das ist ein entscheidender Vorteil des presbyterial-synodalen Systems." Was bedeutet für unsere Kirche die Presbyteriumswahl am 30. November 2014?

Christian Schad: Je mehr Personen sich an der Presbyteriumswahl beteiligen, umso deutlicher wird sichtbar, dass wir Volkskirche sind und Volkskirche bleiben. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der gesellschaftlichen Veränderungen wollen wir in der Mitte der Gesellschaft präsent bleiben und Kirche für die Menschen und mit den Menschen sein. Unsere Kirche lebt von einer Kultur aktiver Beteiligung. Am 1. Advent sind rund 502 000 wahlberechtigte Protestantinnen und Protestanten , davon 37 000 Erstwähler, in der Pfalz und Saarpfalz aufgerufen, ihr Leitungsgremium neu zu bestimmen. Ich sehe darin eine missionarische Chance - sowohl, was die Bereitschaft angeht, sich erneut oder erstmals als Kandidat oder Kandidatin zur Verfügung zu stellen, als auch was die Wahlbeteiligung angeht. Sie lag vor sechs Jahren im Durchschnitt bei 33 Prozent. Wir nahmen damit bundesweit die erste Position ein. Es wäre eine großartige Sache, wenn wir dieses Jahr ein vergleichbares Ergebnis erzielten!

Auch die Kirche wird zahlenmäßig kleiner: Kann die Presbyteriumswahl Zeichen für die Zukunft setzen?

Schad: Die Kirche kann ihrem Ursprung und Auftrag nur treu bleiben, wenn sie bereit ist, sich ständig zu reformieren. So werden wir auch in der kommenden Legislaturperiode 2014 - 2020 unser Profil als einladende Kirche stärken, d. h. konkret: offen sein für suchende und fragende Menschen. Wir werden nicht auf Gleichförmigkeit, sondern auf die vielstimmige Kommunikation des Evangeliums setzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenswelten zu verstehen. Presbyterinnen und Presbyter sind hier Experten vor Ort: Sie kennen die Traditionen, die Erwartungen, die Hoffnungen, aber auch die besonderen Herausforderungen ihrer Gemeinden. Sie wollen wir wahrnehmen und anerkennen. Dann kann es gelingen, dass Menschen auf unterschiedlichen Wegen Heimat und Beheimatung in unserer Kirche finden oder wiederfinden.

Muss nach der Presbyteriumswahl unsere Kirche politischer werden und auch für ihre Interessen auf die Straße gehen?

Schad: Unsere Kirche ist politisch, schon in dem Sinne, dass sie die Gesellschaft mitgestaltet und konkret Verantwortung übernimmt, zum Beispiel im Bereich der Bildung, wenn ich an die Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft oder den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen denke. Daneben sind wir mit unseren diakonischen Beratungsstellen, den Ökumenischen Sozialstationen sowie den stationären Einrichtungen im sozialen Bereich vielfältig präsent. Es ist darüber hinaus unser Auftrag, unsere Glaubensüberzeugungen deutlich in den öffentlichen Diskurs einzubringen - nicht, um selber Politik zu machen, wohl aber, um Politik möglich zu machen. Also ethische Maßstäbe zu formulieren, die die Kraft haben, auch allgemein einzuleuchten, weil sie dem Leben dienen. Wir ergreifen als Kirche Partei für diejenigen, die sonst keine Lobby haben, etwa aktuell für die zu uns kommenden Flüchtlinge, und widersprechen, wo Menschen unter die Räder kommen. Wir wenden den biblischen Grundsatz an, dass das Kriterium für Gerechtigkeit die Situation der Ärmsten ist - vor Ort und weltweit. Martin Luther hat in diesem Zusammenhang vom Wächteramt der Kirche gesprochen. Für ihn war es die Aufgabe aller Christen, den Staat an seine Verantwortung vor Gott zu erinnern. Dies tun wir in öffentlichen Stellungnahmen ebenso wie in vertraulichen Gesprächen, auf der Straße wie im geschützten Raum. Die Evangelische Kirche der Pfalz , die auch den Namen Protestantische Landeskirche trägt, hat derzeit rund 552 831 Mitglieder. Sie zählt zu den 22 Landeskirchen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ihr Hauptsitz ist Speyer . Ihr Gebiet erstreckt sich auf der linken Rheinseite von Speyer bis nach Zweibrücken, Homburg und St. Ingbert. In der Landeskirche gibt es 409 Kirchengemeinden und 19 Kirchenbezirken. Die Kirche untergliedert sich in Kirchenbezirke (Dekanate) mit ihren Gemeinden, davon liegen 389 in Rheinland-Pfalz, 30 im Saarland. Die Kirche beschäftigt 600 Pfarrerinnen und Pfarrer im Gemeindepfarrdienst, Schuldienst, übergemeindlichen Dienst und in der Dienstleistung sowie 80 Gemeindediakoninnen und -diakone und 30 Jugendreferentinnen und -referenten. Sie wird von vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt, etwa von 3300 Presbyterinnen und Presbytern, die mit ihrer Pfarrerin oder dem Pfarrer die Gemeinde leiten. Die Landessynode ist als Volksvertretung die Inhaberin der Kirchengewalt. Sie trifft wesentliche Entscheidungen in den geistlichen, rechtlichen und finanziellen Bereichen der Landeskirche.

 Christian Schad ist der Kirchenpräsident der Protestantischen Landeskirche. Foto: LKR

Christian Schad ist der Kirchenpräsident der Protestantischen Landeskirche. Foto: LKR

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Auf einen BlickDie Landeskirche hat gegenwärtig in der Saarpfalz und in der Pfalz 552 831 Mitglieder. 502 215 sind wahlberechtigt; 273 587 sind weiblich und 228 628 männlich. Erstmals dürfen 38 866 wählen. Mitgliederzahlen im Dekanat Homburg: 46 633, davon sind 41 886 wahlberechtigt, 3043 Erstwähler; Dekanat Zweibrücken: 36 921 Mitglieder, 33 249 sind Wahlberechtigte und 2379 sind Erstwähler (Stand 31. August 2014). jkn

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