Kinowerkstatt St. Ingbert Zu Halloween ein Grusel-Schocker

St. Ingbert · Als Alternative zeigt die Kinowerkstatt St. Ingbert am Wochenende aber auch das realistische Drama „Systemsprenger“.

 Helena Zengel (Benni) im Fim „Systemsprenger“.

Helena Zengel (Benni) im Fim „Systemsprenger“.

Foto: Port au Prince Verleih/Peter Hartwig

Kürbisse, Riesenspinnen und Skelette in Schaufenstern und vor Häusern verraten es: Das Kultfest Halloween steht vor der Tür. Am Donnerstag, 31. Oktober, kriechen Hexen, Zombies und Gespenster aus ihren Höhlen, verlangen nach Süßem oder nach Horror-Parties. In der Kinowerkstatt St. Ingbert ist ab 20 Uhr ein Horror-Kultfilm des amerikanischen Regisseurs George A. Romero aus dem Jahr 1978 zu sehen: „Dawn of the Dead“ oder „Zombies im Kaufhaus“ (USA, Italien 1978).

Der Film handelt von vier Menschen, die sich während einer Zombie-Epidemie in einem Einkaufszentrum verschanzen und von dort aus Zeugen des Untergangs der Menschheit werden. Der Handlungsort Einkaufszentrum wurde häufig als Allegorie auf den Kapitalismus interpretiert. Als die vier das Einkaufszentrum erreichen und die Zombies sehen, die von der Shopping-Mall anscheinend unwiderstehlich angezogen werden, mutmaßen sie, dass die Untoten an den Ort zurückkehren, der ihnen auch im Leben der wichtigste war. Die Zombies wandern ziellos durch die Gänge und erinnern dabei nicht zufällig an völlig normale Kaufhausbesucher. Auch die vier menschlichen Hauptdarsteller sind anfangs begeistert von den Gütern des Einkaufszentrums, das ihnen eine Zeit lang alleine zur Verfügung steht. Sie schwelgen in einem Überfluss, in dem keine materiellen Wünsche offenbleiben. Es werden Szenen gezeigt, in denen sie Kaviar essen, Champagner trinken und teure Kleidung tragen. Geld holen sie in dicken Bündeln aus der Kaufhausbank und benutzen es als Spielgeld für Poker. Erst als ein Zustand totaler materieller Befriedigung erreicht ist, wird ihnen ihre verzweifelte Situation wieder bewusst, und Niedergeschlagenheit und Depression kehren zurück. Der grenzenlose Konsum hat die Gruppe kurzzeitig abgelenkt, an den eigentlichen Problemen aber nichts geändert.

Romero äußerte sich 2004 in der Dokumentation „The dead will walk“ über seine Intention: „Ich wollte über einige meiner eigenen Ideen über die Gesellschaft sprechen. Ich denke nicht, dass es sich dabei um hintergründige Aussagen handelt. Ich glaube, es ist absolut offensichtlich: Die Art, wie die Gesellschaft konditioniert wurde zu denken, dass, solange man dieses Zeug besitzt, das Leben wundervoll ist. Und wie man fälschlicherweise von Dingen angezogen und verführt wird, die in deinem Leben eigentlich nicht wichtig sein sollten, es aber dennoch sind.“ Dazu der amerikanische Filmkritiker Roger Ebert: „Zombie ist einer der besten Horrorfilme, die je gedreht wurden, und dadurch zwangsläufig einer der erschreckendsten. Er ist grauenhaft, verstörend, widerlich, gewalttätig, brutal und abstoßend. Er ist aber auch brillant gedreht, lustig, skurril und in wilder Weise gnadenlos in seiner satirischen Sicht auf die amerikanische Konsumgesellschaft. Es hat nie jemand behauptet, dass Kunst dem guten Geschmack entsprechen müsse.“

Ab Freitag, 1. November, läuft der vielbeachtete Film „Systemsprenger“ (Deutschland 2019) in der Kinowerkstatt. Nora Fingscheidts mit einem Silbernen Bären ausgezeichneter Film erzählt von einer gewalttätigen Neunjährigen, die sich nach Geborgenheit sehnt und im Jugendhilfesystem durch alle Raster fällt. Benni (Helena Zengel) rastet aus, wenn sie etwas im Gesicht hat. Als Baby hat ihr jemand ihre vollen Windeln ins Gesicht gedrückt. Sie schreit, wirft Bobbycars gegen eine Scheibe, dass das Sicherheitsglas bricht, oder schlägt den Kopf eines „Angreifers“ so lange auf den Boden, bis Blut fließt. Bennis Wut ist die Wut der Verzweiflung. Eigentlich will sie Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mama wohnen, die von ihrer Tochter aber so überfordert ist, dass sie sie weggegeben hat. „Systemsprenger“ ist ein Begriff aus der Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche werden so genannt, bei denen alle Hilfsmaßnahmen scheitern. Aus jedem Heim und jeder Wohngruppe fliegen sie raus, landen häufig in der Psychiatrie. Bennis Geschichte ist absolut realistisch.

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