Polen Fremdherrschaft hinterließ tiefe Spuren

Saarpfalz-Kreis · Über die Aufteilung Polens im 18. Jahrhundert informierte ein Vortrag von Violetta Frys im Homburger Forum.

 Vortrag der Partnerschaftsbeauftragten des Saarpfalz-Kreises, Violetta Frys, im Forum Homburg.

Vortrag der Partnerschaftsbeauftragten des Saarpfalz-Kreises, Violetta Frys, im Forum Homburg.

Foto: Michael Klein/Saarpfalz-Kreis

Die Geschichte der Nachbarn ist vielen nicht immer selbstverständlich und sofort geläufig. Das gilt zum Beispiel auch für die Vorkommnisse in Polen im 18. Jahrhundert: Das europäische Land wurde wie ein Kuchen zwischen seinen drei Nachbarn aufgeteilt. Dieser Akt führte zu einem nationalen Trauma der Polen, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. Das wurde im Vortrag „Polen und seine Teilungen“ von Violetta Frys, der Partnerschaftsbeauftragten des Saarpfalz-Kreises, deutlich. Die Resonanz darauf war beachtlich. Alle vorbereiteten Plätze und alle Reservestühle im großen Sitzungssaal im Homburger Forum waren besetzt.

Der große Zuspruch bestätige auch, dass die Idee des saarpfälzischen Landrates und Vorsitzenden der deutsch-polnischen Gesellschaft Saar, Theophil Gallo, genau richtig gewesen sei. Er wollte diese Veranstaltung zum 100. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens und als Zeichen der Verbundenheit mit dem polnischen Partnerkreis Przemysl anbieten, wie es in der Pressemitteilung der Kreisverwaltung heißt. Schließlich gebe es auch im Saarpfalz-Kreis viele Menschen, auch Mitglieder der deutsch-polnischen Gesellschaft Saar, die diese Geschichte kennenlernen wollten. Alle waren interessiert daran zu erfahren, wie es dazu kam, dass dieser Staat Europas innerhalb von zwei Jahrzehnten aufhörte zu existieren und für 123 Jahre von der Landkarte verschwand.

Frys ging darauf ausführlich ein: Eine Adelsrepublik mit Religionsfreiheit und der ersten Verfassung Europas konnte nicht im Sinne der Nachbarn sein. Das im 17. Jahrhundert eingeführte Vetorecht (Liberum Veto) im Parlament (polnischer Sejm), wodurch ein einzelner Mann die Durchführung jedes Gesetzentwurfs verhindern konnte, führte zur politischen Krise, die schließlich das Land sehr geschwächt habe. Nach der ersten (1772) und kurz vor der zweiten (1793) Teilung Polens leitete das Land ein radikales Reformprogramm in die Wege und gab sich am 3. Mai 1791 die erste Verfassung Europas und gleichzeitig die zweitmodernste nach den Vereinigten Staaten, hieß es weiter. Die Verfassung sprach von Volkssouveränität und hatte einen Rat mit 18 Senatoren und 18 Landboten einberufen, die wiederum Kommissionen für Äußeres, Inneres, Heerwesen, Rechtswesen und Finanzen bildeten. Ferner wurden eine selbstständige Erziehungskommission und ein Kulturministerium geschaffen. Ein Regierungskabinett musste fortan dem Parlament Bericht erstatten.

All diese Maßnahmen waren jedoch nicht mehr geeignet, den von den Nachbarmächten geplanten Untergang des Landes aufzuhalten. Durch die zwei vorhergehenden Teilungen geschwächt, hörte das Königreich Polen 1795 auf zu existieren, als Russland, Österreich und Preußen den Rest des polnischen Territoriums unter sich aufteilten. Zwei Jahre später schafften sie den Namen des Landes ab. Über das Schicksal der Menschen unter den drei Besatzungsmächten wurde ebenso referiert. Die jeweiligen Besatzungsmächte versuchten nämlich, die „neu erworbenen Gebiete“ (so die offizielle Bezeichnung) in ihre Länder einzugliedern, was mit einem gewissen Maß an Unterdrückung verbunden gewesen sei, wobei es den Polen unter den Habsburgern am besten und in der Zeit unter den Zaren am schlechtesten ging, so die weiteren Ausführungen.

Als Staat war Polen nicht mehr vorhanden, doch in den Herzen und Köpfen der Menschen habe es weitergelebt. Sprache, Kultur und Religion bildeten die Brücke zwischen der großen Vergangenheit der Adelsrepublik und einer ungewissen Zukunft. Die ablehnende Reaktion der übrigen europäischen Öffentlichkeit auf die Teilungen, die damals als gravierendes Unrecht bezeichnet worden seien, war eine weitere Darlegung zu diesem Thema. Zum Abschluss ging es um mit der Frage, ob dieses Kapitel der Geschichte Polens als Dauertrauma bis heute nachwirke.

Frys erläuterte den Versammelten, dass das heutige sensible Empfindung bei Berührungen der nationalen Souveränität und Integrität die Folge des einstigen Verlustes der Heimat sei. Dieser wirke bei den Menschen in Polen noch immer stark nach. Die Fremdherrschaft über vier Generationen hinweg habe tief greifende Spuren hinterlassen. Mit der Feststellung, dass der europäische Zusammenhalt heute ein Gewinn für alle Beteiligten sei und die Ereignisse der Geschichte überwinden lasse, schloss die Referentin unter dem Beifall des Publikums ab.

Ausführlichere Informationen zu den Partnerschaften des SaarpfalzKreises mit dem polnischen Landkreis Przemysl und dem ukrainischen Rayon Pustomyty erhält man bei: Violetta Frys, erreichbar per E-Mail: violetta.frys@saarpfalz-kreis.de oder unter Telefon (0 68 41) 1 04 82 73.

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