Ohne Umwege zur „Pille danach“

St Ingbert · Experten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte fordern das Ende der Verschreibungspflicht für die „Pille danach“. Aber wie denken St. Ingberter darüber? Die SZ befragte in der Innenstadt vor allem Frauen zu diesem Thema.

 Schlucken wir die Idee von der rezeptfreien „Pille danach“? Apotheker Stefan Birk zeigte uns das Medikament. Foto: Patricia Müller

Schlucken wir die Idee von der rezeptfreien „Pille danach“? Apotheker Stefan Birk zeigte uns das Medikament. Foto: Patricia Müller

Foto: Patricia Müller

Soll es die "Pille danach" bald ohne Rezept in der Apotheke geben? Experten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sagen Ja zum Ende der Verschreibungspflicht. Aber was sagt St. Ingbert dazu? Charlotte Beer glaubt, es sei für Jugendliche eine Hürde, den Arzt aufzusuchen und von dem intimen Dilemma zu erzählen: "Für junge Leute finde ich es deshalb gut." Den Gang zum Arzt könnten Frauen sich in Zukunft sparen. Ein Argument für die neue Idee ist auch die möglicherweise schlechte Erreichbarkeit von diensthabenden Ärzten und Apothekern an Wochenenden und Feiertagen. Frauen sollen nicht erst zu den verschiedenen Instanzen "von Pontius zu Pilatus laufen müssen", sagt Susanne Welter. Sollte eine Betroffene es nicht rechtzeitig zum Arzt schaffen, entstehe laut Welter ein größeres Risiko, nämlich die Schwangerschaft abzubrechen. Susanne Kleber-Tretbar stimmt ihr zu. Den Frauen solle es leichter gemacht werden, "der Schaden ist relativ gering". Ähnlich argumentiert Norbert Ramelli. Besser die "Pille danach" als die eventuell "hohe psychische Belastung bei einer Abtreibung".

Doch die "Pille danach" leichter zugänglich zu machen, birgt auch Gefahren. Denn das Arzneimittel mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist kein harmloses Schmerzmittel. Häufige Nebenwirkungen sind Schwindel, Übelkeit und Erbrechen.

Franziska Kayser sieht die Gefahr, dass die Nachfrage nach dem Medikament steigt und sagt: "Es ist wichtig, dass der Arzt eingeschaltet wird."

Gewisse Gesichtspunkte sprechen auch für Monika Ehlayil-Abo-Hasna gegen die rezeptfreie Pille. So gebe es etwa Frauen, bei denen es durch eine Schwangerschaft zu gesundheitlichen Komplikationen kommen könnte. Ärzte könnten in solch einem Fall frühzeitig zur "Pille danach" raten. Genau wie sie argumentieren auch Sonja Paul und Petra Dupont, wenn es um die generelle Notwendigkeit des Medikaments geht: "Es gibt heute genügend Aufklärung und Möglichkeiten, dass eine Schwangerschaft nicht zustanden kommen muss." Dupont: "Die "Pille danach" ist ein Eingriff in das körperliche Wohlbefinden und eine hohe chemische Belastung." Auch Ulla Schneider sieht die "Kehrseite der Medaille", und zwar, dass "Patientinnen das Medikament einfach leichtfertig - manchmal auch wohl viel zu oft - nehmen werden."

Der Apotheker der Adler-Apotheke in der St. Ingberter Kaiserstraße, Stefan Birk, schließt sich mit seinen Bedenken an: "Die Hemmschwelle der Frauen könnte sinken", sagt er, "die ‚Pille danach' ist ein Notfallmedikament, das starke Wirkung entfaltet und mit Nebenwirkungen behaftet ist". Das müsse den Kunden klargemacht werden. Dennoch glaubt Birk nicht, dass die "Pille danach" vergleichbar leicht zu erwerben sein wird wie etwa Aspirin. Statt einem Gespräch mit dem Arzt bleibe nämlich immer noch die Hürde, sich vom Apotheker beraten zu lassen. Davon abgesehen: Das Argument, dass Notfallarzt und -apotheke an Wochenenden schlecht zu erreichen seien, ziehe bei unserer Versorgungslage in St. Ingbert laut Birk weniger. Die Ärzte und Apotheken seien gut zu erreichen und haben die "Pille danach" grundsätzlich immer vorrätig. Er selbst hat 2013 vierzig Mal die "Pille danach" verkauft. Im Januar 2014 waren es bereits fünf. Die Kundinnen seien schätzungsweise zwischen 15 und 25 Jahren.

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HintergrundDeutschland ist neben Polen und Italien eines der letzten Länder der EU, in dem die "Pille danach" rezeptpflichtig ist. Experten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wollen das ändern. Sie fordern, dass es die "Pille danach" künftig ohne Rezept in der Apotheke geben soll. An die Stelle einer üblichen Beratung des Arzts soll dann ein Gespräch mit dem Apotheker treten. Aus medizinischer Sicht gebe es laut Institut keine Gründe, die zwingend gegen ein Ende der Rezeptpflicht sprächen. Verschrieben werden würde die "Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. Diese kann eine Schwangerschaft verhindern, wenn sie bis spätestens 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen wird und ist keine sogenannte "Abtreibungspille". Hat sich die Eizelle bereits in die Gebärmutter eingenistet, verhindert die Pille die Schwangerschaft nicht mehr. Das Bundesgesundheitsministerium entscheidet nun, ob es der Empfehlung folgen will. pam

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