Sie ist die einzige Orgel in Saarbrücker Synagoge ist eine Rarität

SAARBRÜCKEN · In keinem anderen jüdischen Gotteshaus Deutschlands steht noch ein Instrument, auf dem ein Organist musizieren könnte.

Seit der Nazi-Barbarei gab es nur noch wenige Orgeln in jüdischen Gotteshäusern, und heute erklingt in ganz Deutschland nur noch ein einziges derartiges Instrument. Nachdem die Orgel der großen Synagoge in der Berliner Rykestraße in ein Museum umgezogen sei und es auch in der Frankfurter Westend-Synagoge keine mehr gebe, so berichtet Richard Bermann, bliebe nur noch die Orgel der Saarbrücker Synagoge in der Lortzingstraße. „Sie ist eine Rarität, als einzige noch spielbare Orgel in einer deutschen Synagoge“, versichert der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar.

Bermann blickt in Richtung der Orgelpfeifen, die sich hier beidseitig vor dem Toraschrein emporrecken: „Die meisten Orgelpfeifen sieht man nicht“, sagt er und lädt zu einer kleinen Besichtigung des Instruments ein. Auf der Empore angekommen, kann man dann auch zahlreiche weitere, vor allem kleinere Orgelpfeifen entdecken, darunter einige hölzerne Exemplare – sie alle befinden sich hinter der trapez-ähnlichen Metallpfeifen-Front.

Gleichfalls verdeckt ist hier oben der Spieltisch des Organisten beheimatet, über der Tastatur prangen das Baujahr der Orgel und das Firmenlogo ihres Erbauers: Anno 1950 wurde die Saarbrücker Synagogenorgel von der elsässischen Firma Edmond A. Roethinger fertiggestellt, einer der berühmtesten französischen Orgelmanufakturen jener Zeit; das zweimanualige, elektropneumatische Instrument verfügt über 19 beziehungsweise 22 Register.

Im Unterschied zu Orgeln mit dem weit verbreiteten neobarocken Klangbild gehöre das Saarbrücker Instrument, erläutert Bermann, „mit seiner Disposition und Intonation zu den spätromantischen Orgelwerken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“. Die diesem Ideal entsprechende „warme“ Klangcharakteristik wird durch die Akustik des Synagogenraumes unterstützt: Bodenteppiche und die Kassettendecke wirken dämpfend.

Kaum verwunderlich, dass das obendrein komplett im Originalzustand befindliche schmucke Instrument von überregionalen wie regionalen Organisten gerne frequentiert wird: Bernhard Leonardy, den Kantor der Basilika St. Johann, treffe man hier schon mal an, so Bermann; auch Andreas Rothkopf, Orgelprofessor der Saar-Musikhochschule, und der Orgelsachverständige der Diözesen Mainz und Limburg, Achim Seip, zählen zu den „musikalischen Unterstützern“.

Die hiesige Synagogengemeinde sei seit 1984 nicht mehr „liberal“ ausgerichtet, sondern „orthodox“, erklärt Bermann, daher werde die Orgel nicht im Gottesdienst selbst gespielt, sondern nur bei Konzerten, Gedenktagen und ähnlichen Veranstaltungen. Seinem „vollständig bauzeitlichen Erhaltungszustand“ verdanke das Synagogeninstrument zwar die Ehre des Denkmalschutzes, den übrigens auch das gesamte Gebäude genießt.

Auf der anderen Seite bedarf die altehrwürdige aerophone Dame mit ihren 69 Lenzen nun jedoch dringend einer umfangreichen Renovierung. Vom Austauschen der antiquierten Verkabelung bis hin zur Verarztung manch‘ malader Orgelpfeifen gebe es alle Hände voll zu tun. Die Arbeiten durchführen soll die Kirkeler Firma Peter M. Ohlert, die das Instrument bereits seit 1996 zur vollen Zufriedenheit der Synagogengemeinde warte, so Bermann, und „jedes Detail der Orgel kennt“. Laut fachkompetenter Schätzungen beliefen sich die Gesamtkosten der Reparaturen auf rund 93 000 Euro. Diese Summe gedenke die Synagogengemeinde teils im Rahmen ihrer Möglichkeiten aus Eigenmitteln aufzubringen, außerdem seien Anträge auf öffentliche Zuschüsse gestellt worden.

Die Zeichen stünden insgesamt gut, und der Beginn der Renovierung unmittelbar bevor, freut sich Bermann – inzwischen ist ein Zuschuss in Höhe von 46 000 Euro aus dem Denkmalschutzprogramm VIII des Bundes zugesagt worden.

Bis zum Jahresende werde die Instandsetzung voraussichtlich dauern. Und wenn die Synagogenorgel dann zum 70. Wiegenfest in neuer (alter) Pracht erblühe, solle es ein Einweihungskonzert geben, verspricht Richard Bermann frohgemut – „und was für eins!“

Weitere Infos auf der Internetseite der Synagogengemeinde Saar.

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