Narren feiern bis der Schornstein wackelt
St Ingbert · Zehntausende Besucher säumten gestern beim Fastnachtszug die Straßen in der St. Ingberter Innenstadt. Farbenfrohe Wagen, Fußgruppen und Musikkapellen boten ein überaus buntes Bild. Lokalkolorit brachten zudem Themen aus der Kommunalpolitik. Vor allem dem früheren Becker-Schornstein trauerten etliche Narren nach.
. Das war ein Umzug wie aus dem Bilderbuch. Mit Bildern wie gemalt, genügend Seitenhieben auf die Lokalpolitik, Stimmungsmusik, Tausenden gut gelaunter Närrinnen und Narren und, nicht zu vergessen, einem traumhaften Wetter. Die Waldgeister der Naturfreunde Hassel hatten ihren eigenen Fahrer dabei, während die Abiturienten die abgespeckte Variante mit dem Einkaufswagen wählten, um ihr Wurfmaterial und Getränke zur Selbstversorgung zu transportieren. Kindergarten-Maler, Musikschulen-Trommler und jede Menge Märchengestalten bevölkerten die gute Stube St. Ingberts.
Bei der Fußgruppe von "Wir für St. Ingbert" mit ihrer Forderung nach Durchblick und Transparenz in städtische Gefilden musste man schon zwei Mal hingucken, um die zahlreichen Andeutungen zu verstehen, die "kopflastig" daherkamen. Tunnelblick, sich vermehrende Stadtratsfraktionen oder gar die Hand vor Augen? Genau das wünschen sich selbst die närrischen St. Ingberter nicht. Während man hier wohl noch Hoffnung hat, sind andere Messen in der Mittelstadt schon gesungen und taugen noch, um in Erinnerungen zu schwelgen. Dass der gefallene Schornstein der Becker-Brauerei thematisiert werden würde, war zu erwarten. Bei den einen rauchte er noch, bei den Becker-Bier-Buwe wurde er mitten im Zug gesprengt und gab den Blick auf eine Stubbi-Flasche frei. Die Becker's Buwe trugen ihn zu Grabe, während er den Pädschesdrätern unter dem Motto "Dengmert ohne Schorschde is wie e Wutz ohne Borschde" zu Kopf gestiegen war.
Mehr lokale "Bausünden" gefällig? Als wäre es nicht schon genug, dass Albert Weisgerbers gemalte Figuren den Fastnacht-Pin schmücken und Einlass in die Alte Baumwollspinnerei fordern, hob die Märchenwelt der Gruppe "Hauptsach Spass" das Thema auf die Tagesordnung der Fastnacht. Und dank ihr weiß man auch, warum es wohl auch in 100 Jahren nichts mit dem Bildermuseum wird. Schließlich ist dort quasi schon jemand zu Hause, denn "in der alten Spinnerei schläft Dornröschen einwandfrei". Also "Psst", nicht wecken.
Doch die vielen Musikgruppen und Orchester rissen auch die letzten Träumer aus dem Schlaf. St. Ingbert hatte beim Fastnachtsumzug seine Bühne und machte mit Tausenden Besuchern und "Zaungästen" alles andere als einen verschlafenen Eindruck. Schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Trotz vieler Piraten, Ritter, Meeresungeheuer, Prinzen und ihren Lieblichkeiten, Spaßgemüse, Helden bekannt aus Film und Fernsehen, Bärchen und den unverbesserlichen Minions, waren die Narren nicht ewiggestrig, machten lieber "Love, not war". Da mochte man allen St. Ingbertern zurufen: "Zum Geier nochmal mit Hexen und Schwarzgeldwäscherei." Die St. Ingberter Fastnacht lebt - und gestern wurde das auf den Straßen der Innenstadt nochmals deutlich bewiesen.