Ökologisches Wirtschaften Nachhaltiger Spaziergang durch St. Ingbert

St. Ingbert · Das Netzwerk Entwicklungspolitik Saarland (NES) zeigt bei Stadtführungen, wie alternativer Konsum aussehen kann.

 Wer macht den Reibach bei Schokolade? NES-Bildungsreferentin Hilary Weller zeigt es Marie, Carina, Constanze und Beck (von links).

Wer macht den Reibach bei Schokolade? NES-Bildungsreferentin Hilary Weller zeigt es Marie, Carina, Constanze und Beck (von links).

Foto: Stefan Bohlander

Die Deutschen sind echte Schleckermäuler. Zwölf Prozent des Verzehrs von Schokolade auf der ganzen Welt findet hierzulande statt. 90 Prozent der gegessenen und getrunkenen Schokolade beziehen wir durch die Kakaobohnen aus westafrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria. Diese sind mit Indonesien auch die vier größten Produzenten der Kakaobohne. Den größten Pro-Kopf-Verbrauch der Welt haben jedoch die Nachbarn aus der Schweiz zu verzeichnen - sie vertilgen jedes Jahr im Schnitt 11,9 Kilogramm an Schoko-Süßigkeiten. „Das ist echt sauviel“, sagt Carina. Sie ist eine der vier Teilnehmerinnen des nachhaltigen Stadtrundgangs, der vor wenigen Tagen an markanten Punkten in der St. Ingberter City vorbeiführte. Dieser wird geleitet von Hilary Weller vom Netzwerk Entwicklungspolitik Saarland (NES), die auch die ein oder andere Statistik mit einfließen lässt. Die Bildungsreferentin weist dabei unter anderem darauf hin, dass es zwar sehr viele Bauern gebe, die Kakaobohnen anbauen, bei diesen finanziell jedoch kaum etwas hängen bleibe. Reibach würden vor allem die Exporteure, Hersteller von Schokolade und die Lebensmittelhändler machen, die das fertige Produkte Schokolade veräußern. „Was können wir da machen?“, fragt sie rhetorisch. Constanze zeigt auf den Weltladen in der Kaiserstraße – fair einkaufen also. Dies ist der letzte Punkt des rund zweistündigen und kostenfreien Rundgangs, der am 12. September wiederholt wird.

Los geht es auch dann wieder um 11 Uhr am Rathaus. Dort wartet erst mal ein kleines Spiel auf die Teilnehmer, die beim ersten Termin erfreulich jung sind. Das mag auch daran liegen, dass sie dem Team des Biosphärenzweckverbandes Bliesgau angehören und so auch von dem Stadtrundgang erfahren haben. Bei dem Spiel jedenfalls geht es darum, dass die Teilnehmer Obst und Gemüse (in diesem Fall aus Holz) auf einem kleinen Teppich, auf dem die vier Jahreszeiten aufgestickt sind, sortieren sollen. Dabei zeigt sich die gebürtige Kanadierin Hilary Weller neidisch auf die Gewächse hierzulande. „Bei uns stirbt ja alles“, sagt sie lachend. Ernster Hintergrund der zuzuweisenden Früchte und Gemüsesorten ist es herauszufinden, woher die Ananas überhaupt kommt. Oder die Banane. Denn eines ist klar: „Wenn es nicht bei uns wächst, kommt es woanders her.“ Das erhöhe den CO2-Abdruck.

Klimaschonend weil regional, könne man zum Beispiel auf Wochenmärkten einkaufen. Dabei unterstütze man die lokale Wirtschaft und erhalte die Wertschöpfungskette in der Region. In der Regel falle auch weniger Plastikverpackung an. Dieser und weiterer Müll beschäftigt die vier junge Leute auch an der nächsten Station. Anhand von ausgegebenen Karten mit einem Foto von Produkten gilt es zu schätzen, wie lange etwas benötigt, um restlos zu zerfallen und die Natur nicht weiter zu schädigen. Reine Baumwolle könne so bereits in etwa drei Monaten abgebaut sein, wie die Bildungsreferentin erklärt. Zigarettenstummel benötigten bereits zehn bis zwölf Jahre. Das klingt zwar nach nicht besonders viel, doch solle man bedenken, dass wegen der Giftstoffe Teile des Trinkwassers verseucht werden. Alu-Dosen, etwa für Softgetränke, benötigen bis zu 200 Jahre, dann seien sie aber auch „komplett weg“, da Aluminium ein natürlicher Stoff sei. Ein Problem stelle die Großfischerei dar, da Fischernetze bis zu 600 Jahre benötigen würden, bis sie zerfallen. Größte Überraschung dürfte es bei diesem Punkt aber sein, dass Damenbinden zwischen 500 und 800 Jahre benötigen, bis sie komplett abgebaut sind. Marie merkt an, dass es dazu ja viele Alternativen gebe, etwa Mentruationstassen. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass Binden in manchen Ländern Frauen auch erst gewisse Freiheiten gegeben hätten. Mit Binden hätten in Indien erstmals Frauen auch in Schulen gedurft. „Ich will das also nicht so dämonisieren“, sagt sie.

Am Weltladen angekommen, wird das Thema „Fair Handel“ angesprochen. Damit sollen die Erzeuger in den oftmals armen Ländern einen Mindestpreis für ihre Produkte erhalten – Schokolade zum Beispiel. Ein älterer Mann kommt zufällig bei der kleinen Gruppe vorbei und lobt das Engagement. Sein Sohn lebe seit rund 30 Jahren in Mauritius, wodurch er die Ausbeutung des globalen Südens durch westliche Länder mitbekomme. Sinn des Rundgangs, der in ähnlicher Form auch jeden letzten Samstag im Monat in Saarbrücken angeboten wird, sei es nicht, Konsum zu verbieten, sondern bewusst zu machen. „Fairer Handel ist mehr als ein Weltladen“, erläutert sie. Der Stadtrundgang solle eher für einen nachhaltigen Lebensstil sensibilisieren und Lust machen auf gelebte, gemeinschaftliche Alternativen. NES bietet auch weitere Stadtrundgänge zu unterschiedlichen Themen an, zum Thema Kleidung oder Gastronomie beispielsweise. Je nach Thema werden verschiedene Stationen angelaufen und in offenen Gesprächen über eine nachhaltigere Welt reflektiert.

Nächster nachhaltiger Stadtrundgang in St. Ingbert: Samstag, 12. September, 11 bis 13 Uhr. Treffpunkt: Rathaus St. Ingbert. Anmeldung bei Frank Ehrmantraut unter Tel.: (06894) 13 726 oder vhs@st-ingbert.de. Weitere Infos zum NES: www.nes-web.de

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