Nach dem Abi als Lehrer nach China

Rentrisch/St. Ingbert · Noch wenige Tage drückt der 18-jährige Florian Jung aus Rentrisch die Schulbank, doch schon in drei Monaten hört eine ganze Klasse auf sein Kommando. An einer Fremdsprachenschule wird er als Freiwilliges Soziales Jahr Deutsch unterrichten - in der chinesischen Millionenmetropole Shenzhen.

 Vorfreude auf China in der St. Ingberter Fußgängerzone: Florian Jung bricht Ende August ins Reich der Mitte auf, um dort sein Freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Foto: Oliver Bergmann

Vorfreude auf China in der St. Ingberter Fußgängerzone: Florian Jung bricht Ende August ins Reich der Mitte auf, um dort sein Freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Foto: Oliver Bergmann

Rentrisch/St. Ingbert. Eigentlich wollte sich Florian Jung nur in einer neuen Sportart ausprobieren. Die Wahl des damals Zwölfjährigen fiel auf Ninjutsu, den Oberbegriff für japanische Kampfkünste. Irgendwann schlug während einer Trainingsstunde die ganz persönliche Stunde null des inzwischen 18-Jährigen. "Wir mussten damals viele japanische Wörter lernen", erinnert er sich. "Und diese Schriftzeichen haben mich einfach fasziniert."Jenseits des Wettkampfes entwickelte Jung einen eigenen Ehrgeiz, er lernte die japanische Sprache und setzte sich ein neues Ziel in den Kopf: Einmal nach Japan fliegen. "Das hat leider nicht geklappt. Es war zu teuer", blickt der Abiturient des Leibniz-Gymnasiums zurück. Statt ins Land des Lächelns flog er für 14 Tage ins Reich der Mitte - China erwies sich nicht nur als die günstigere Alternative, sondern auch als Herzensangelegenheit. Das Land und seine kulturellen Gegensätze ließen ihn bis heute nicht mehr los. Ende August bricht er zum vierten Mal nach China auf. Es dürfte seine bisher spannendste Reise werden.

Soziales Jahr in Shenzhen

Jung leistet dort nämlich sein Freiwilliges Soziales Jahr, genauer gesagt in der nahe Hongkong gelegenen Stadt Shenzhen. "Das war vor 30 Jahren noch ein Fischerdorf mit etwa 15 000 Einwohnern - jetzt leben dort mehr als zehn Millionen Menschen." Vor allem ist Shenzhen die Stadt in China mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen des Landes.

Rund zwölf Monate wird der junge Mann aus Rentrisch als Deutschlehrer und Lehrassistent an einer Fremdsprachenschule im Stadtbezirk Futian arbeiten. Er erläutert: "Ich mache das, weil ich mich seit Jahren darum bemühe, Chinesen und Deutsche für die Kultur des jeweils anderen zu begeistern."

Auf diesem Gebiet ist Jung schon seit einiger Zeit aktiv. An der Universität des Saarlandes hält er hin und wieder Vorträge, mit Kollegen verfasst er derzeit zwei Bücher zum Thema. Als große Hilfe bei der gegenseitigen Verständigung gilt sein Mitwirken an der Internetseite der Asienstiftung www.stimmen-aus-china.de - hier übersetzt der Abiturient chinesische Blogs und Meinungen ins Deutsche. Mangelnde Kenntnisse seiner künftigen Heimat auf Zeit muss er sich also nicht vorwerfen lassen. Dass er auch die Sprache fließend beherrscht, versteht sich da beinahe schon von selbst. Nun setzt er den Hebel verstärkt auf der anderen Seite an. Über seine Unterrichtsziele ist er sich längst im Klaren.

Viele Unterrichtsideen

Jung: "Ich werde in verschiedenen Klassen Deutsch unterrichten und dabei mein Heimatland vorstellen. Und wenn es möglich ist, würde ich gerne eine Projektwoche gestalten, in der die Schüler dann nach der deutschen Küche kochen oder deutsche Kunstwerke malen. Genaueres erfahre ich aber erst vor Ort von meinen Korrespondenten." Das Schulsystem sei streng kontrolliert. Der junge Mann hofft, dass er seine unkonventionellen Unterrichtsmethoden umsetzen kann.

Wie auch immer er den Unterricht gestalten wird: Etwas Aufklärung über seine Heimat täte den Chinesen gewiss gut. Ausgerechnet der deutsche Diktator Adolf Hitler genießt in Teilen der Bevölkerung ein durchaus hohes Ansehen. Jung: "Klar, die Menschen wissen von seinen Verbrechen, aber viele verehren ihn wegen seiner militärischen Erfolge." Unabhängig davon runzeln viele Chinesen eher die Stirn, wenn sie an Deutschland denken.

Florian Jung vergleicht Deutschland und Frankreich aus chinesischer Perspektive: "Frankreich ist das Land der Romantiker, Deutschland das der Pragmatiker." Noch deutlicher fällt der Vergleich der beiden Sprachen aus. "Deutsch ist für die Chinesen einfach nur eine schreckliche Sprache, während die Franzosen singen."

Hintergrund

Der China-Aufenthalt von Florian Jung ist eine teure Angelegenheit. 5000 Euro kostet ihn das Freiwillige Soziale Jahr. Deswegen hofft er, dass sich noch Sponsoren oder private Spender bei ihm melden und ihn unterstützen. Denn: Das große Geld verdient er an der Schule in Shenzhen, der Stadt mit der höchsten Wachstumsrate Chinas, nicht. Zugesichert wurde ihm, dass er in einer kleinen Lehrerwohnung, bestehend aus Küche, Bad und Schlafzimmer leben kann.

Im Falle einer Unterstützung würde der junge Mann auch Gegenleistungen erbringen. Seinen Spendern will er mit Vorträgen vor Ort oder Übersetzungen entgegenkommen. Japanisch und chinesisch spricht er fließend. Allen Spendern garantiert er regelmäßige Berichterstattung über seine Arbeit in China. Kontakt per E-Mail: tetsujin1994@googlemail.com. obe

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