Mit jeder Stunde einen Schritt weiter

St. Ingbert. Dem Enkel aus dem Märchenbuch vorlesen, der Freundin eine Geburtstagskarte schreiben - für die meisten Menschen sind dies ganz alltägliche Beschäftigungen, für andere schier unüberwindliche Hürden. Zirka fünf Prozent der Deutschen können nicht lesen und schreiben. Um diesen Menschen zu helfen, gibt es spezielle Alphabetisierungskurse. Die St

 Matthias Ziegler, Dozent des Kurses "Lesen und Schreiben - leicht gemacht", und VHS-Leiterin Marika Flierl wollen Analphabeten dabei unterstützen, lesen und schreiben zu lernen. Foto: Schneider

Matthias Ziegler, Dozent des Kurses "Lesen und Schreiben - leicht gemacht", und VHS-Leiterin Marika Flierl wollen Analphabeten dabei unterstützen, lesen und schreiben zu lernen. Foto: Schneider

St. Ingbert. Dem Enkel aus dem Märchenbuch vorlesen, der Freundin eine Geburtstagskarte schreiben - für die meisten Menschen sind dies ganz alltägliche Beschäftigungen, für andere schier unüberwindliche Hürden. Zirka fünf Prozent der Deutschen können nicht lesen und schreiben. Um diesen Menschen zu helfen, gibt es spezielle Alphabetisierungskurse. Die St. Ingberter Biosphärenvolkshochschule (VHS) bietet diese seit 16 Jahren an. Einmal wöchentlich findet sich die Gruppe, die im Schnitt aus zehn Teilnehmern besteht, ein, um gemeinsam zu lernen. Es sind ganz unterschiedliche Menschen, jünger oder älter, mit verschiedenen Lebensgeschichten. Was sie gemeinsam haben, ist der Wunsch, endlich lesen und schreiben zu lernen. "Der erste Erfolg ist, hierher zu kommen und mit jeder Stunde geht es einen Schritt voran." Marika Flierl, Leiterin der VHS St. Ingbert, weiß, dass es vielen Analphabeten schwer fällt, den Schritt in den Unterricht zu wagen. "Viele lähmt die Angst, erkannt zu werden. Oder sie haben schlechte Erfahrungen in der Schule gemacht", sagt Matthias Ziegler, der Dozent des Kurses. Um diese Ängst abzubauen, bedarf es einer besonderen Art des Lernens. "Der Unterricht hier ist nicht wie in der Schule", erklärt Ziegler. In dem Kurs dutze man sich und spreche sich mit dem Vornamen an. Das baue Distanz ab. "Der Unterricht ist ganz nah am Leben", betont auch Flierl. Die Gruppe gehe gemeinsam Einkaufen, lese in Prospekten oder Beschriftungen, denen sie auch in ihrem Alltag begegnen. Da in der Gesellschaft immernoch häufig das Verständnis für Analphabeten fehlt, haben viele gelernt, ihre Schwäche zu kompensieren. "Bei vielen fällt es nicht auf, dass sie nicht lesen und schreiben können. Sie haben gelernt, so durchs Leben zu kommen.", erklärt die VHS-Leiterin. Umso schwerer fällt es dem ein oder anderen, zu seiner Schwäche zu stehen. "Manche gehen offen damit um, andere nicht", weiß Flierl. Deshalb sei für die Mitarbeiter der VHS Diskretion selbstverständlich. Oft kämen die Analphaten zur Anmeldung nicht selbst vorbei, sondern zuerst Freunde oder Verwandte. Auch das sei kein Problem. "Wir freuen uns über jeden, der den Weg findet und dem wir helfen können.", betont Flierl.Wer sich dem Kurs anschließen und lesen und schreiben lernen möchte, kann sich jederzeit anmelden bei der St. Ingberter Biosphärenvolkshochschule, Kaiserstraße 71, Telefon (0 68 94) 9 14 60.

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