Mit der eigenen Trauer in einer ParallelweltTrauerfeier für früh verstorbene Kinder am Sonntag

Homburg. Vier Kinder wollte sie haben, bis sie 30 Jahre alt ist. Die gehören heute auch fest zu ihrem Leben, sagt Jasmin Schommer - zwei davon haben allerdings nie wirklich gelebt, die Welt nur ein bisschen gestreift. An sie erinnern ein kleiner Magnolienbaum im Garten der Familie zusammen mit zwei Laternen und zwei Gedenksteinen

 Blumen und kleine Andenken schmücken das Kindergrabfeld auf dem Homburger Hauptfriedhof. Am kommenden Sonntag, 2. Dezember, wird es wieder eine Trauerfeier für Kinder geben, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Foto: Thorsten Wolf

Blumen und kleine Andenken schmücken das Kindergrabfeld auf dem Homburger Hauptfriedhof. Am kommenden Sonntag, 2. Dezember, wird es wieder eine Trauerfeier für Kinder geben, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Foto: Thorsten Wolf

Homburg. Vier Kinder wollte sie haben, bis sie 30 Jahre alt ist. Die gehören heute auch fest zu ihrem Leben, sagt Jasmin Schommer - zwei davon haben allerdings nie wirklich gelebt, die Welt nur ein bisschen gestreift. An sie erinnern ein kleiner Magnolienbaum im Garten der Familie zusammen mit zwei Laternen und zwei Gedenksteinen. Jasmin Schommer, 32, hat diese beiden Kinder in den ersten Wochen der Schwangerschaften verloren. Drei beziehungsweise vier Jahre ist das her, und es fällt ihr immer noch schwer, darüber zu sprechen. In der SZ-Redaktion hat sie sich dennoch bewusst erinnert: Sie möchte anderen helfen, weil sie selbst erfahren hat, dass "dieses Thema in der Gesellschaft nicht so gewollt ist".Das erste Mal kam für sie völlig unerwartet. Es war im Dezember 2008, das Paar hat einen Sohn, damals sieben Jahre alt. Jasmin Schommer ist schwanger, sie freuen sich: "Es war ein absolutes Wunschkind." Die Nachricht wollen sie an Heiligabend als große Weihnachtsüberraschung verkünden. Vorher steht der erste große Ultraschalltermin an. Der Sohn ist bei Jasmin Schommers Schwester, ihr Mann soll nachkommen. An die Möglichkeit, dass sie ihr Kind verlieren könnte, denkt sie überhaupt nicht. "Uns passiert das nicht", ist die Haltung zu den Unsicherheiten, die es gerade in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen gibt. Die Ärztin beginnt mit der Untersuchung. Schon an der Reaktion merkt Jasmin Schommer, dass irgendetwas nicht stimmen kann. "Es gibt keinen Herzschlag" ist der Satz, der sie aus allen Träumen und in eine Schockstarre stürzt. Der Fötus muss ausgeschabt werden. Gerade zehn Wochen hat ihr Traum gedauert. An die nächsten Stunden, den Abend, die Nacht kann sich Jasmin Schommer kaum noch erinnern. Dafür aber sehr genau daran, wie sie in der Klinik auf ihren Termin wartet, wie im Minutentakt frische Mütter ihre Babys im Bettchen vorbeischieben, wie sie die Herztöne der Kinder anderer Schwangerer hört, wie ihr auch hier der Arzt kurz vor der OP bestätigt, dass ihr Kind nicht mehr lebt.

Die nächsten Wochen und Monate sind für sie kaum zu ertragen. Die Familie hilft ihr, allen voran ihr Mann, der ja nun auch "funktionieren, den Alltag organisieren muss". Sie selbst ist krank geschrieben, vier Wochen lang - sie arbeitet in einer Kinderkrippe. Aus ihrem Erlebnis macht sie kein Geheimnis, doch das Verständnis der Kollegen und Freunde wird geringer, je weiter die Zeit fortschreitet. "Ihr seid ja noch so jung, ihr könnt noch andere Kinder bekommen." Dieser Satz schmerzt sie, denn: "Ich wollte dieses. Das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun." Auch Bemerkungen wie "Sei froh, dass Du es schon jetzt verloren hast, später wäre es noch schlimmer" machen es ihr noch schwerer.

Jasmin Schommer ist wie gelähmt. "Ich hing wie in einem Loch; es gab keine guten Tage mehr", sagt sie. Sie beginnt sich zu fragen, ob sie normal ist und wie sie um etwas so trauern kann, dass ja noch nicht richtig da war. Irgendwann schreibt ihr eine Freundin, schickt den Kontakt zur Selbsthilfegruppe Sternenkinder mit. Ihr Mann erkundigt sich, schleppt sie regelrecht zum ersten Treffen. "Ich hatte am Anfang total Angst. Man sitzt da, kennt niemanden." Aber dann kam sofort das Gefühl: "Die verstehen mich, da gehöre ich hin." Heute ist sie mit ein paar der Frauen sehr eng befreundet. "Wir sind wie eine kleine Familie in einer anderen Welt. Hier fühle ich mich sicher." Es sind Menschen, die sie verstehen, weil sie auch heute immer wieder schlechte Tage hat. "Das kann ich nicht steuern." Im September 2009 ist sie wieder schwanger, die Werte sind schlecht, in etwa der siebten Schwangerschaftswoche setzen Blutungen ein. Ihre Familie, ihr Mann, die Gruppe fangen sie auf. 2010 hat sie eine Tochter zur Welt gebracht, Kati Hope, die reine Hoffnung. Da dachten viele: "So, jetzt ist es gut", erzählt sie. Doch die anderen beiden, nie geborenen Sternenkinder "werde ich immer vermissen". In der Gruppe findet sie das Verständnis, das sie braucht: "Hier ist der Ort, der ganz meinen Kindern gehört."Homburg. Die ökumenische Trauerfeier für nicht bestattungsfähige Kinder ist immer am ersten Advent, dieses Jahr also am Sonntag, 2. Dezember, um elf Uhr in der Kapelle des Hauptfriedhofes in Homburg. Nach der Trauerfeier findet die Urnenbeisetzung auf dem eigens dafür errichteten Grabfeld auf dem Hauptfriedhof in Homburg statt. Gestaltet wird die Feier von der katholischen Klinikseelsorgerin Ursula Hoffmann, von Gudrun Fahrner-Pippart, der evangelischen Klinikseelsorgerin, und Martina Brennecke vom Gesprächskreis Sternenkinder.

Der Gesprächskreis Sternenkinder, der angeschlossen ist an die Initiative Regenbogen, trifft sich im katholischen Pfarramt St. Fronleichnam, 18.30 Uhr, an jedem ersten Freitag im Monat, das nächste Mal am Freitag, 7. Dezember. Details, Termine und sehr viele hilfreiche Infos stehen auf der Internetseite. Geleitet wird der Gesprächskreis von Jasmin Schommer und Martina Brennecke. Kontaktdaten findet man auf der Internetseite unter dem Punkt Termine. Anika Müller, Regionalvertretung Saarland der Initiative Regenbogen und Gründerin des Kreises, ist zu erreichen unter der Telefonnummer (0 67 83) 9 00 86 90.

Zu den Treffen kommen mal mehr, mal weniger, normalerweise maximal zehn Teilnehmer. Der Kontaktkreis ist gedacht für Eltern, die ein Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben.

Die Bandbreite des Erlebten ist dabei groß. Manche Frauen haben ihre Kinder in der Frühschwangerschaft verloren, andere später oder kurz nach der Geburt. Wieder andere waren mit dem plötzlichen Kindstod im Alter von ein paar Monaten konfrontiert. ust

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 Jasmin Schommer leitet zurzeit mit Martina Brennecke den Gesprächskreis Sternenkinder. Foto: SZ-Redaktion/ Stumm

Jasmin Schommer leitet zurzeit mit Martina Brennecke den Gesprächskreis Sternenkinder. Foto: SZ-Redaktion/ Stumm

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