Ein Kleinod im nördlichen Saarland Das einzigartige Einhaus auf dem Hügel

Alsweiler · Das Alsweiler Hiwwelhaus gilt als ältestes Bauernhaus des Saarlandes. Die Fundamente des Quer-Einhauses wurden vor dem 30-jährigen Krieg gelegt.

 Eines der wenigen Exponate aus der Zeit seiner Erbauung: Der Webstuhl auf dem Dachboden ist in etwa genau so alt wie das Hiwwelhaus selbst.

Eines der wenigen Exponate aus der Zeit seiner Erbauung: Der Webstuhl auf dem Dachboden ist in etwa genau so alt wie das Hiwwelhaus selbst.

Foto: Thorsten Grim

„Es war der Beginn eines wunderbaren Vorhabens.“ Mit diesen Worten erinnert Richard Dewes in einer Chronik des Alsweiler Hiwwelhauses an die Anfangszeit. Nicht an die des Bauernhauses selbst, denn die liegt mehr als 300 Jahre in der Vergangenheit. Sondern an den Beginn der Sanierung des historischen Gebäudes. Beziehungsweise ging es damals zunächst einmal darum, dessen weiteren Verfall aufzuhalten. Darum war mehr als zehn Jahre zuvor der First des Kleinods neu eingedeckt worden – damit über Winter kein Wasser eindringen konnte. Jahre vorher hatte die 1975 gegründete örtliche Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde sich bereits hartnäckig dafür eingesetzt, ein Anfang des 20. Jahrhunderts an das historische Gebäude angebautes Haus wieder abzureißen, um das Hiwwelhaus zurück in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.

1991 schließlich kaufte die Gemeinde Marpingen das Objekt – mit Unterstützung von Dewes, der von 1989 bis 1991 Ortsvorsteher von Alsweiler und zur Zeit des Ankaufs Staatssekretär im Arbeitsministerium war. Wie der Chronik zu entnehmen ist, besorgte der SPD-Politiker in Saarbrücken das Geld für den Erwerb des Hauses. Die Kommune selbst hätte dieses seinerzeit nicht aufbringen können, berichtet Chronist Edmund Groß.

Als neuer Eigentümer gelang es der Gemeinde jedenfalls, das an verschiedenen Stellen baufällige Haus statisch zu sichern. Im damals noch stehenden Anbau brachte die Verwaltung Aussiedler unter. Bis ein Brandstifter Feuer legte. Die Flammen machten den Neubau unbewohnbar. 1994 kam der Abrissbagger. Gleichzeitig begann die eigentliche Sanierung des historischen Bauernhauses, in seiner Art wohl das älteste im Saarland, und nicht nur für Heimatkundler Groß ein „Kulturdenkmal von hohem Rang für den ganzen Raum Saar-Lor-Lux“.

„Das Hiwwelhaus hat aber keinen typischen Museumscharakter“, sagt Wolfgang Simon vom Hiwwelhausverein. Der Verein bespielt mehr oder weniger gemeinsam mit dem Alsweiler Heimatforum das Hiwwelhaus. In dem werde gezeigt, „wie die Wohnverhältnisse unserer Vorfahren waren und wie die Wohnkultur vor 300 Jahren“. Das muss weitestgehend ohne Inventar oder Möbel geschehen. „Möbel, wie sie vor 300 Jahren in saarländischen Bauernhäusern gestanden haben, bekommt man nicht. Und wenn, sind sie unbezahlbar“, sagt dazu der Hiwwelhaus-Vereinsvorsitzende Alfred Neis. Möbel, die um 100 und ein bisschen mehr Jahre alt sind, bekomme man hingegen schon. Vergleichsweise häufig würden dem Verein Einrichtungsgegenstände in dieser Altersklasse sogar kostenlos angeboten. „Aber wenn wir die hier aufstellen würden, wäre das nicht originalgetreu. Das wollen wir nicht.“ Das hat letztlich zur Konsequenz, dass der historische Teil des Hiwwelhauses ein wenig leer wirkt.

Treiben herrscht indes, wenn Schulklassen vor Ort sind. Denn das ehemalige Bauernhaus ist als außerschulischer Lernort in der entsprechenden Broschüre des Landkreises St. Wendel gelistet. Hier können Kinder Brot backen wie anno dazumal. Bislang häufigster Gast waren Grundschulklassen der St. Wendeler Nikolaus-Obertreis-Schule. An einem solchen Besuchstag entzündet Simons Sohn in den frühen Morgenstunden Feuer im alten Backofen und heizt mächtig ein. Damit dessen Frau später mit den Kindern nach altem Rezept Teig zusammengekneteten und auf den heißen Steinen zu Brot ausbacken kann – so wie vor 300 Jahren. „Das kommt richtig gut an bei den Kindern“, weiß Wolfgang Simon zu berichten. „Vor allem, dass die Kinder ihr selbst gebackenes Brot, das wirklich außergewöhnlich gut schmeckt, mit nach Hause nehmen können.“ In diesem Zusammenhang sei es ihm übrigens unverständlich, dass die Grundschule in Marpingen um den außerschulischen Lernort „um die Ecke“ bislang einen Bogen macht. „Wir wären froh, wenn mehr Kinder beziehungsweise Schulklassen, gerade auch aus unserer Gemeinde, das Angebot nutzen würden.“ Ansonsten stellen lokale Künstler und Handwerker im Funktionsraum gerne ihre Werke aus, treten regionale Kabarettisten und Musiker auf, laden Geschichts- und Heimatforscher zu Vorträgen und Präsentationen. „Wir organisieren das ganze Jahr über Veranstaltungen“, berichtet Neis.

Das Baujahr des Hiwwelhauses wird offiziell auf das Jahr 1712 datiert. Vermutlich wurde es aber schon vor dem 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) errichtet. Doch sind aus dieser Zeit nur noch der Gewölbekeller, eine Wand und zwei Fensternischen erhalten. Der Form nach ist das heute zu sehende Gebäude ein Vorläufer des südwestdeutschen Quer-Einhauses, das Wohnung, Stall und Scheune unter einem langgestreckten Dach vereint. Das Dach selbst war ursprünglich mit Stroh eingedeckt. Das barg jedoch große Brandgefahr und wurde im 18. Jahrhundert verboten. Bei der Sanierung griff man auf Biberschwanz-Ziegel zurück.

Mittelpunkt des Hauses ist die Küche. Die ist mit großformatigen Sandsteinen ausgelegt. Neben der offenen Feuerstelle und dem Backofen fand sich hier einst auch ein Hausbrunnen. Über dem Feuerungstisch befindet sich in der Decke ein großer Rauchabzug. Der Haascht, so heißt diese Art des Abzugs, nimmt fast die Hälfte der Raumdecke ein und verjüngt sich nach oben. Über eine verschließbare Luke im Dachgeschoss kann man den Haascht auch als Räucherkammer nutzen. Neben der Küche findet sich die Stube, von der führt eine Tür ins Elternschlafzimmer.

Über eine steile Stiege – sie ist noch original – gelangt der Besucher ins Dachgeschoss. Neben einer geräumigen Diele finden sich hier zwei Schlafkammern. Über dem früheren Stall sind ein Modell des Ortes, des Hauses sowie ein alter Webstuhl aufgestellt. Über eine weitere Stiege am Giebel geht es in die Dachkammer des 1998 als dörfliches Kulturzentrum eröffneten Kleinods, dessen Sanierung seinerzeit 1,2 Millionen Mark kostete.

An mehreren Sonntagen im Jahr werden Führungen angeboten. Besichtigt werden kann auch nach Vereinbarung unter Tel. (0 68 53) 31 06.

 Blick auf die Front des Hiwwelhauses. Es ist das älteste historische Bauernhaus des Saarlandes. Seine Fundamente stammen aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg. Auf diesen entstand 1712 das Haus in seiner jetzigen Form.

Blick auf die Front des Hiwwelhauses. Es ist das älteste historische Bauernhaus des Saarlandes. Seine Fundamente stammen aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg. Auf diesen entstand 1712 das Haus in seiner jetzigen Form.

Foto: Thorsten Grim
 Die Rückseite des Hiwwelhauses. Ganz rechts war die Wohnung, hinter dem großen Glasfenster der Stall, links die Scheune.

Die Rückseite des Hiwwelhauses. Ganz rechts war die Wohnung, hinter dem großen Glasfenster der Stall, links die Scheune.

Foto: Thorsten Grim
 Die Vorderseite des Hiwwelhauses mit dem Scheunentor. Links davon waren die Stallungen, rechts lagerten vermutlich Futter und Streu.

Die Vorderseite des Hiwwelhauses mit dem Scheunentor. Links davon waren die Stallungen, rechts lagerten vermutlich Futter und Streu.

Foto: Thorsten Grim
 Ein Dachgiebel im Originalzustand zeigt die damalige Bauweise.

Ein Dachgiebel im Originalzustand zeigt die damalige Bauweise.

Foto: Thorsten Grim
 Der Zeigefinger von Alfred Neis weist, wo im Modell, das Alsweiler vor dem 30-jährigen Krieg zeigt, sich der Vorgänger des Hauses findet.

Der Zeigefinger von Alfred Neis weist, wo im Modell, das Alsweiler vor dem 30-jährigen Krieg zeigt, sich der Vorgänger des Hauses findet.

Foto: Thorsten Grim
 Früher die Stallung, heute ein Veranstaltungssaal, in dem regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und Hochzeiten stattfinden.

Früher die Stallung, heute ein Veranstaltungssaal, in dem regelmäßig Konzerte, Ausstellungen und Hochzeiten stattfinden.

Foto: Thorsten Grim
 Das Hiwwelhaus im Modell.Der durchgängige Flur trennt die Wohnräume (links) von den Stallungen. Rechts befindet sich die Scheune.

Das Hiwwelhaus im Modell.Der durchgängige Flur trennt die Wohnräume (links) von den Stallungen. Rechts befindet sich die Scheune.

Foto: Thorsten Grim
 Alfred Neis (links) und Wolfgang Simon in der Küche. Im Backofen wird noch heute hin und wieder Brot gebacken. Vor dem Ofen war die Feuerstelle.

Alfred Neis (links) und Wolfgang Simon in der Küche. Im Backofen wird noch heute hin und wieder Brot gebacken. Vor dem Ofen war die Feuerstelle.

Foto: Thorsten Grim
 Noch immer nagt am restaurierten Hiwwelhaus der Zahn der Zeit. Oder in diesem Fall: der Holzwurm.

Noch immer nagt am restaurierten Hiwwelhaus der Zahn der Zeit. Oder in diesem Fall: der Holzwurm.

Foto: Thorsten Grim
 Alfred Neis zeigt auf einem Foto den letzten Bewohner des Hiwwelhauses – darauf ist Jakob Eckert noch ein Kind. 1977 starb Eckert. Das Haus war nie elektrifiziert worden, es gab weder eine Heizung noch einen Wasseranschluss.

Alfred Neis zeigt auf einem Foto den letzten Bewohner des Hiwwelhauses – darauf ist Jakob Eckert noch ein Kind. 1977 starb Eckert. Das Haus war nie elektrifiziert worden, es gab weder eine Heizung noch einen Wasseranschluss.

Foto: Thorsten Grim
 Der Dachboden über dem Wohnblock. Das dunkle Dachgebälk in der Mitte ist im Originalzustand.

Der Dachboden über dem Wohnblock. Das dunkle Dachgebälk in der Mitte ist im Originalzustand.

Foto: Thorsten Grim
 Blick aus der Wohnstube des historischen Hauses.

Blick aus der Wohnstube des historischen Hauses.

Foto: Thorsten Grim

Alle Serienteile finden sich im Internet: www.saarbruecker-zeitung.de/museen-im-saarland.

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