Porträt über Marek Lismore London wird auf ihn verzichten müssen

Homburg/Ensheim · Flughafen-Mitarbeiter Marek Lismore hat wegen des bevorstehenden Brexits seinen britischen Pass abgegeben.

 In seinem Leben hat Marek Lismore schon viel erlebt. Unter anderem bewachte er den Buckingham Palast und eskortierte Jahre später als britischer Soldat in Berlin Rudolf Hess regelmäßig vom Gefängnis ins Krankenhaus.

In seinem Leben hat Marek Lismore schon viel erlebt. Unter anderem bewachte er den Buckingham Palast und eskortierte Jahre später als britischer Soldat in Berlin Rudolf Hess regelmäßig vom Gefängnis ins Krankenhaus.

Foto: Iris Maria Maurer

In Belfast ist Marek Lismore geboren. Das ist wichtig, wenn man die folgende Geschichte verstehen will, auch wenn Lismore selbst, heute 58 Jahre alt, es nicht ganz erklären kann, was die Sache mit der Rente angeht. Aber der Reihe nach.  Während Theresa May vor wenigen Tagen viele hundert Meilen Luftlinie entfernt den Antrag stellt, den Brexit-Termin auf Ende Juni zu verschieben, steht Marek Lismore am kleinen Kaffeeautomaten in einer Zweibrücker Buchhandlung und wirft 50 Cent ein, um sich einen ohne Milch zu ziehen. Lismore liebt es, Bücher zu lesen, „ohne lesen geht nichts“. Im Moment hat er dafür etwas mehr Zeit, da der Flughafen in Ensheim wegen Bauarbeiten geschlossen hat und es für ihn ein paar Tage lang keine Arbeit gibt. Er gehört zum Bodenpersonal und kümmert sich vor allem darum, dass den Flugzeugen der Sprit nicht ausgeht. Dass er bald mal selbst wieder eines besteigt, um näher an Belfast heranzukommen, das bezweifelt er doch sehr. „Das letzte Mal, dass ich dort war, hatte ich eine Waffe in der Hand“, sagt Lismore. Jahrelang diente er der britischen Armee und war unter anderem Grenadier Guard unter einem dieser bekannten hohe Fellhüte am Tor des Buckingham Palastes. Während einer Gartenparty lief die Queen an ihm vorbei. „Die ist nur so groß“, sagt er und hält sich die flache Hand vor die Brust. Das war Mitte der 70er. Dann kam sein Einsatz im Nordirlandkonflikt, wo fremde Kugeln ihn nur knapp verfehlten. Zurückschießen durfte er nicht, was ein kriegerischer Akt gewesen wäre. Immerhin war er ja Soldat, was ihn dann auch nach Deutschland brachte. 1979 und ’80 musste er im Gefängnis von Spandau Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess bewachen und mehrere Male ins Krankenhaus eskortieren.

Schließlich bekam Lismore „einen wunderschönen Brief“ aus dem Königreich, erzählt er süffsant. Auf den Falkland Inseln wurde es ernst. „Du bist eingeladen für noch einen Krieg“, zitiert er die Armee aus seiner Erinnerung heraus. Damals dachte er, die Falklands wären irgendwo im Norden – „Hä, was wollen die Argentinier denn in Schottland?“ – und quittierte. Egal ob nah oder fern, Lismore hatte keine Lust mehr auf Kampfeinsätze, ein Krieg zwischen Buenos Aires und London um diese Inselgruppe im Südatlanktik – nicht mit ihm. Er packte seine sieben Sachen und machte sich eine schöne Zeit in Spanien, bevor es ihn wieder zurück nach Berlin zog, um dort für die britische Armee auf einem Flughafen zu arbeiten und einen Golfplatz in Schuss zu halten.

Bei einem Besuch in der Pfalz bekam er ein Jobangebot bei der US-Army, Spritlager zu warten. Er sagte zu und landete nach fünf Jahren schließlich beim Zweibrücker Flughafen, den er mit aufbaute. Als der schloss, blieb Lismore zwar in der Pfalz wohnen, wechselte aber im Job nach Ensheim. Dann kam der Brexit – Lismore: „Die sind so dumm wie Brot.“

Bis dahin war der Sohn eines Iren und einer Polin Brite mit Pass und allem Drum und Dran, auch wenn er sich schon immer als Ire gefühlt hatte. Aber das mit den Dokumenten war ja egal, die Hauptsache Europäische Union, sagt er. Als dann plötzlich ein Schreiben in seinem Briefkasten landete, dass er grob erklärt nach einem Brexit als Brite und Nicht-EU-ler rund ein Drittel seiner monatlichen Rente einbüßen würde, weil er die vor allem in Deutschland, also in der EU, erwirtschaftet hatte, klingelten die Glocken. Sein Glück ist, dass er wie jeder, der auf der Insel Irland geboren ist, also egal ob im Süden oder im Norden in Belfast, das bekanntlich zu Großbritannien gehört, nach irischem Recht Anspruch auf die Staatsbürgerschaft der irischen Republik hat. Also gab er einfach seinen britischen Pass ab und wurde Ire. Die Rente ist gerettet. „So wie ich haben das viele gemacht“, sagt er.

Wie das jetzt mit dem Brexit weitergeht, könnte ihm jetzt egal sein, ist es aber natürlich nicht. Lismore macht sich große Sorgen um die Grenze zu Nordirland. England wird wieder Soldaten schicken müssen, um sie zu sichern, schätzt er. Ein Symbol für die Besatzung des Nordens. Das schürt schlechtes Blut, neuer Hass entsteht. Ex-Soldat Lismore ist sich sicher: „Die Troubles“, also die Unruhen, „kehren zurück.“

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