Baumwollspinnerei Bittere Wahrheiten

Ein mieses Zeugnis stellt der Sonderbericht des Rechnungshofs vor allem dem Investor bei der Baumwollspinnerei aus. Aber auch wenn man sich von ihm trennt, sollte man das Projekt nicht aufgeben.

Manfred Schetting zum Sonderbericht für Baumwollspinnerei in St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Wer in dieser Woche den Sonderbericht des Rechnungshofes des Saarlandes zur Revitalisierung der Alten Baumwollspinnerei in St. Ingbert gelesen hat, sieht es förmlich vor sich: Die über den Akten und Rechnungen gebeugten Prüfer können nicht mehr aufhören, ihre Köpfe zu schütteln. Werner Deller wird in dem Bericht kräftig abgewatscht, aber auch die Stadtverwaltung getadelt. Der Rechnungshof sieht Deller mit der Abwicklung eines solchen Projektes fachlich überfordert, erkennt seine Versäumnisse, baufachlichen Sachverstand extern zu beauftragen und benennt schlechte vertraglichen Grundlagen für das geplante Kulturzentrum.

Diese bitteren, aber auch längst bekannten Wahrheiten schmerzen. Im St. Ingberter Interesse muss man sie dennoch aushalten. Denn für einen Schlussstrich ist es längst zu spät. Mit der Baumwollspinnerei als Bauruine wäre nichts erreicht. Die Albert-Weisgerber-Sammlung bliebe ebenso ohne neue Heimat wie etliche städtische Einrichtungen, die in dem denkmalgeschützten Gebäude einziehen sollten. Und wo soll die Stadt die Millionen von Fördergeldern plus Zinsen herholen, die bei Aufgaben des Projekts Baumwollspinnerei fällig würden?

Auch eine zentrale Frage, die sich für die Lokalpolitiker stellt, bleibt offen. Wann nämlich wäre der Zeitpunkt gewesen, die Vision einer St. Ingberter Kulturfabrik aufzugeben. Hätte die Stadt 1997 nach Aufgabe des Bundeswehrdepots die Baumwollspinnerei kaufen müssen, obwohl sie das Geld dafür nicht hatte? Oder hätte man schon 2003 einen Umzug des Albert-Weisgerber-Museums verwerfen sollen, obwohl die Baumwollspinnerei als attraktive Alternative leer stand? Oder hätte man 2011 beim Kaufvertrag alle denkbaren Risiken allein in die Verantwortung des Investors legen müssen – auch auf die Gefahr hin, dass dieser dann abspringt und sein Eigentum behält? Oder hätte sich Stadt 2014 den Rettungsversuch für das Vorhaben durch einen Ergänzungsvertrag schenken sollen, um schon damals nur das Ergebnis zu haben, das man jetzt verhindern will?

Nebenbei bemerkt: Die gründliche Überprüfung der Baumwollspinnerei hätte nicht erst im Februar dieses Jahres erfolgen sollen, sondern vielleicht schon 2013, als sich abzeichnete, dass es mit der vereinbarten Fertigstellung des Gebäudekomplexes nichts werden würde.

Dem Urteil des Rechnungshofes, dass sich bei der Alten Baumwollspinnerei ein sehr schlechtes Beispiel für eine Öffentliche-Private-Partnerschaft handelt, kann wohl niemand widersprechen. Grob vereinfacht lässt sich sagen: Der Investor allein konnte es nicht, die Stadt allein auch nicht – und zusammen wurde es nicht wesentlich besser. Da jetzt wieder von einem neuen Investor die Rede ist, der die Baumwollspinnerei retten helfen soll, ist wenigstens darauf zu achten, dass St. Ingbert aus der Vergangenheit lernt und beim Rettungsversuch keinen der alten Fehler wiederholt.

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