Kolumne für St. Ingbert Das Stöbern in alten Erinnerungen

Wie kann eine aus St. Ingbert stammende Autorin ein Kopfkino auslösen? Ganz einfach, alte Briefe vorm Entsorgen noch einmal lesen – und die Zeitreise beginnt.  

Manfred Schetting erinnert sich an Autorin Marina Heib aus St. ingbert
Foto: Robby Lorenz

Zu meinen guten Vorsätzen gehört schon immer das Aufräumen. Meist rund um den Jahreswechsel nehme ich mir stets auf Neue fest vor, insbesondere beim Aussortieren Taten folgen zu lassen. Und dann treffe wie in dieser Woche auch mal auf Dokumente mit ganz eigener Geschichte. Vor vielen Jahren knapp dem Altpapier entronnen hat das Erinnerungsstück irgendwann einen Ablageort gefunden, an dem es sich selbst versteckt und sogar unsichtbar und unantastbar gemacht hat.

Diesmal fand ich meine Korrespondenz mit der aus St. Ingbert stammenden Autorin Marina Heib. Von ihr war Anfang 1998 unter dem Pseudonym Alice Vaara ein Roman mit dem Titel „Die Männer sind an allem schuld“ herausgekommen. Dieses (bis heute antiquarisch erhältliche) Taschenbuch war Thema eines Interviews in dieser Zeitung. Inzwischen schreibt Marina Heib in Hamburg längst nur noch unter ihrem Namen. Vor allem eine Reihe von erfolgreichen Kriminalromanen folgten auf den unterhaltsamen Frauenroman in ihren schriftstellerischen Anfangsjahren, wie Wikipedia & Co. verraten.

Der Begriff Korrespondenz für den wiederentdeckten Schriftwechsel ist dabei nicht zu hoch gegriffen. Und Schriftwechsel sogar wortwörtlich zu verstehen. Nach einer ersten Seite in Computerschrift folgt eine zweite Seite, die per Handschrift und Kugelschreiber erstellt ist. „Der Drucker hat gestreikt“, merkte die Autorin wie selbstverständlich an. Ja, so war das in den 90er Jahren.

In derselben Mappe schlummerte eine weitere Text-Perle aus dieser Zeit. Im Juli 1996 befasste sich eine Broschüre für Journalisten mit dem „Internet für Einsteiger“. Neben Begriffserklärungen wie der zum „elektronischen Eilbrief, kurz E-Mail genannt“, finden sich die damals ausgemachten Trends. Und dann heißt es: „Einfaches Surfen oder professionelles Online-Recherchieren werden vermutlich teurer werden, als es heute der Fall ist.“ Nicht schlecht prophezeit. Gleiches gilt für diese Sätze. „Obwohl sich die Internetseiten explosionsartig vermehren, werden die Suchmaschinen immer leistungsfähiger. So soll eine amerikanische Suchmaschine in ihrem Index alle Seiten verzeichnen und finden.“ Oft ist die Vergangenheit gnadenlos gut.

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum um Gottes Willen hebt jemand so einen Kram auf? Ganz einfach, weil schon meine Vorfahren unter den Jägern und Sammlern offenkundig die Sammler waren. Diese Gene sind besonders haltbar. Und außerdem: Aus dem meisten gut Verwahrten lässt sich fast immer irgendwann doch noch eine Geschichte machen.

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