Lyrische Prosa wandelt durch Zeiten

St Ingbert · Er lebt in der Schweiz, war Protokollführer des eidgenössischen Parlaments und schreibt: Jürgen Theobaldy las beim Literaturforum in der St. Ingberter Stadtbücherei. „Aus nächster Nähe“ spielt zur Zeit des Mauerfalls und ist „ein Roman der Liebe“.

 Der Autor Jürgen Theobaldy stellte in der St. Ingberter Stadtbücherei seinen neuen Roman vor. Foto: Jörg Martin

Der Autor Jürgen Theobaldy stellte in der St. Ingberter Stadtbücherei seinen neuen Roman vor. Foto: Jörg Martin

Foto: Jörg Martin

. Manchmal nehmen Dinge einen anderen Lauf, als sie möglicherweise geplant waren. So kam es, dass der Schriftsteller Jürgen Theobaldy am Mittwochabend mit der Lesung des St. Ingberter Literaturforums und der Stadtbücherei indirekt einen aktuellen Beitrag beisteuerte. Sein jüngstes Prosa-Werk mit dem Namen "Aus nächster Nähe" spielt nämlich zur Zeit des Mauerfalls. Genauer gesagt, die Handlung findet vorwiegend in der Zeit zwischen dem historischen Ereignis und dem Jahreswechsel 1989/1990 statt.

Nein, es sei kein historisches Werk zum 25-jährigen Jubiläum, stellte der Autor klar. Es sei vielmehr ein Roman der Liebe. Das sagt Theobaldy (70), der Wert darauf zu legen scheint, das Wort Liebesroman nicht in den Mund zu nehmen.

Eigentlich sind Gedichte der Schwerpunkt des Mannes, der in der Schweiz lebt. Die dichterischen Anfänge des Schriftstellers, der zuletzt Protokollführer des eidgenössischen Parlaments war, sind in der Studentenbewegung der sechziger Jahre anzusiedeln. Noch fehlt ihm beim Vorlesen des aktuellen Werks irgendwie die Routine. Er habe insgesamt erst drei Mal daraus vorgelesen, gab er unumwunden zu. Deshalb experimentiere er auch noch an der Art des Vorlesens.

Seinen Schwerpunkt Lyrik kann er irgendwie nicht verbergen. Die Sprache in diesem Roman ist mehr als die eines Prosatextes. "Aus nächster Nähe" erschien bereits im Sommer 2013. In West-Berlin steht die Zeitenwende an. Im alternativen Milieu einer Charlottenburger Wohngemeinschaft scheint die nie zu enden wollende Jugend nun doch ihren Schluss zu nehmen.

Richard, eine Aushilfe in einem alternativen Verlag, stellt fest, dass sein Job zu Ende gehen wird. Mona, eine Laborantin aus Sao Paulo, kehrt wieder in die Bundeshauptstadt zurück und weckt alte Erinnerungen bei ihm.

Eine Mischung aus leidenschaftlicher Affäre und Rückblenden in längst vergangene Zeiten nimmt ihren Lauf. Überhaupt sind es die vielen Zeitsprünge, die das Werk interessant machen. Es gibt viele kurze Kapitel, darauf wies Theobaldy hin. So ein wenig habe er ja mit dem Titel gehadert. "Aus nächster Nähe" sollte ursprünglich "Das Wiedersehen" heißen. Er gab dem Drängen des Verlages nach, da dieser meinte, dass der jetzige Titel mehr Spannung verspräche. Und die brachte der Träger des Berner Literaturpreises 2006 so nach und nach, trotz überschaubarer Besucherzahl, dennoch unters Volk. Hauptfigur Richard sehnt sich nach Mona, versucht aber auch, den zahlreichen Versuchungen zu widerstehen, die da so am Wegesrand lauern. Und: Er nimmt wieder Füller und Schreibpapier mit ins Café und will die Muse umarmen.

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