NGG sieht auch Gesundheitsrisiken Gewerkschaft bemängelt Überstunden

Saarpfalz-Kreis · Die Arbeitnehmervertretung NGG berichtet, dass im Saarpfalz-Kreis 2,7 Millionen Überstunden letztes Jahr aufgelaufen sind, davon 1,5 Millionen ohne Gehalt. Sie warnt vor einem „Durchlöchern des Arbeitszeitgesetzes“.

 Im Gastgewerbe werden viele oft auch unbezahlte Überstunden geleistet, beklagt die NGG.

Im Gastgewerbe werden viele oft auch unbezahlte Überstunden geleistet, beklagt die NGG.

Foto: dpa/Tobias Hase

Wenn der Saarpfalz-Kreis richtig schuftet, kommt laut Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein Überstunden-Berg heraus: Rund 2,7 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier demnach 2018 zusätzlich geleistet. Davon 1,5 Millionen Überstunden ohne Bezahlung. Das gehe aus dem „Überstunden-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der NGG erstellt hat. Danach hätten alle Beschäftigten den Unternehmen im Saarpfalz-Kreis 37 Millionen Euro „geschenkt“. Allein in Hotels und Gaststätten hätten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 59 000 Überstunden geleistet, wie das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet habe. Die Wissenschaftler seien von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 44 Prozent aller im Saarpfalz-Kreis geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei zwölf Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von 316 000 Euro.

„Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 59 Prozent dieser Arbeitsplätze im Kreis Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführer Mark Baumeister.

Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Baumeister. Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne „#fairdient“ hinter die rund 2700 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten im Saarpfalz-Kreis. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Baumeister. Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, sagt Baumeister.

Der Gewerkschafter: Mehr arbeiten zu müssen, bedeute auch ein höheres Gesundheitsrisiko. „Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und sogar Arbeitsunfälle können die Folge sein.“ Die bestehende Regelung der Arbeitszeit sei ein wichtiger Schutz der Beschäftigten. Im Gastgewerbe sei es gang und gäbe, überdurchschnittlich oft an Wochenenden und Feiertagen, spätabends und auf Abruf zu arbeiten. „Dazu kommt ein guter ‚Flex-Faktor‘ durch Arbeitszeitkonten. In Tarifverträgen hat die NGG mit dem Dehoga vielfältige Arbeitszeitmodelle vereinbart. Zu viele Betriebe setzen diese aber gar nicht in der Praxis um, sondern wollen einen Freifahrtschein“, so Baumeister.

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