Kreativ und singend integrieren

St Ingbert · Im Rabensteinzentrum-Familienzeit in St. Ingbert betreuen Ehrenamtler jeden Dienstag von 9 bis 11 Uhr sechs Kinder aus geflüchteten Familien im Alter von vier bis sechs Jahren, die keinen Kindergartenplatz bekommen haben. Weitere acht Kinder kommen freitags in die Altenbegegnungsstätte der St. Ingberter Stadthalle.

 Die Flüchtlingskinder, die in St. Ingbert keinen Kindergartenplatz bekommen haben, werden von Freiwilligen im Ratz-Faz betreut. Diesmal auf dem Programm: Körperteile. Foto: Patricia Müller

Die Flüchtlingskinder, die in St. Ingbert keinen Kindergartenplatz bekommen haben, werden von Freiwilligen im Ratz-Faz betreut. Diesmal auf dem Programm: Körperteile. Foto: Patricia Müller

Foto: Patricia Müller

"Knie und Zeh, Knie und Zeh", singen die syrischen Kinder noch vor sich hin - in der Aussprache nicht schlechter, als es ein deutsches Kind singen würde, als sie an dem kleinen Tisch Platz nehmen. Gerade haben die Flüchtlingskinder ein neues Lied gelernt, das ihnen die Wörter zu den entsprechenden Körperteilen näherbringen soll. Doch jetzt sind sie auf ihr neues Buch gespannt, das Ehrenamtlerin Helga Leiendecker ihnen vorlesen will. Es geht um "die Oma". Die Kinder schauen gebannt auf die Frau, die mit Gestik und Mimik so viel mehr ausdrückt, als mit diesem einen Wort. Leiendecker steht auf, krümmt den Rücken, greift einen imaginären Gehstock. Es dauert nur wenige Sekunden, da löst sich das Stirnrunzeln eines kleinen Jungen namens Bashar, er zieht die Augenbrauen hoch und sagt leise "ahh".

Mit der Verständigung klappt es immer besser, stellt die ehemalige Lehrerin Helga Leiendecker während dieses Treffens in der dritten Woche seit Beginn fest. Denn im Rabensteinzentrum-Familienzeit (Ratz-Faz) in der Robert-Koch-Straße in St. Ingbert betreuen Ehrenamtler jeden Dienstag von 9 bis 11 Uhr sechs Kinder aus geflüchteten Familien im Alter von vier bis sechs Jahren, die keinen Kindergartenplatz bekommen haben. Weitere acht Kinder kommen freitags in die Altenbegegnungsstätte der St. Ingberter Stadthalle. Das Team besteht momentan aus vier Personen, darunter neben Leiendecker auch Margit Stadler und weiterhin eine ausgebildete Erzieherin, die immer für eine Dreiviertelstunde die Kinder in der Stadthalle besucht sowie eine syrische Mutter, die in ihrer Heimat Kunst studiert und bereits im Kindergarten gearbeitet hat.

Durch diese Initiative sind bislang zumindest alle Sechsjährigen in St. Ingbert untergekommen, die nach dem Sommer in die Schule sollen, berichtet Leiendecker. Doch: "Es kann nicht als Dauerprojekt angesehen werden", sagt die Ehrenamtlerin. Für sie ist die derzeitige Form der Betreuung eine Notlösung. Sie will mit den anderen Freiwilligen eben eine dritte Einheit abdecken, abgesehen von den zwei Sprachkursen, die die Kinder wöchentlich besuchen. Das große Manko sei allerdings, dass die Betreuer hierbei die einzigen Deutschsprachigen seien. Während draußen vorm Fenster die Kleinen des benachbarten Kindergartens schaukeln und rennen, hocken die Flüchtlingskinder separiert im Gebäude. Rein rechtlich dürfen sie nicht zusammen spielen, das hat Leiendecker schon in Erfahrung gebracht. "Es ist schon eine andere Nummer, wenn man nicht mit der deutschen Sprache an die Kinder herankommt. Man kann zum Beispiel nicht mit Einsicht arbeiten."

Abgesehen von der deutschen Sprache lernen die Flüchtlingskinder hier noch vieles mehr. Bei zwei Mädchen sei "die Feinmotorik sehr zurück". Eine könne beispielsweise ihre Schuhe nicht selbstständig ausziehen. Deshalb steht auch jedes Mal Kreativarbeit auf dem Programm, wie etwa Kneten an diesem Tag. Spätestens als die Kinder entlang von roten Linien einen Teddy ausschneiden sollen, zeigt sich bei zwei Mädchen die besagte Schwäche. Anstatt die Linien zu beachten, schneiden sie wahllos Stücke vom Papier ab und schließlich mitten durch den aufgemalten Teddy. Sie haben sichtlich Probleme, die Schere überhaupt zu benutzen. Solche Beobachtungen zeigen den Ehrenamtlern erst, wie wichtig eine Betreuung im Kindergarten für die Neuankömmlinge wäre, wo sie jeden Tag aufs Neue gefördert werden können. Leiendecker: "Die Kinder müssen Regelplätze bekommen."

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