Kostprobe aus einem Mammutprojekt

St Ingbert · Stephan Friedrich, Lehrer an einem St. Ingberter Gymnasium, hat vor wenigen Tagen in der Stadtbibliothek aus seinem Buch „Wir sind Dornen geworden in fremden Augen“ vorgetragen. Voran ging eine immense Recherchearbeit.

 Stephan Friedrich las in der St. Ingberter Stadtbücherei aus seinem Buch. Foto: Jörg Martin

Stephan Friedrich las in der St. Ingberter Stadtbücherei aus seinem Buch. Foto: Jörg Martin

Foto: Jörg Martin

. Die letzte Veranstaltung des St. Ingberter Literarturforums in der Stadtbibliothek am Mittwochabend wich von den sonstigen in zweierlei Hinsicht ab: Zum einen war es keine Lesung im üblichen Sinne. Dennoch war das, was der Schriftsteller an Literatur im Gepäck hatte, nicht minder lesenswert. Der Autor von "Wir sind Dornen geworden in fremden Augen" trug vielmehr per projizierter Bildschirmpräsentation vor, statt zu lesen. Zum anderen widmete sich Stephan Friedrich einem unrühmlichen Kapitel der deutschen Geschichte. Nämlich dem der Juden von Spiesen und deren Leid während der Nazi-Diktatur.

Bereits 2011 erschien sein Werk, dem eine jahrelange Recherchearbeit vorausging. 2006 regte der frühere Pfarrer Peter Scheel bei einer Ausstellung zu jüdischen Friedhöfen im Saarland an, doch einmal ein Buchprojekt über die Geschichte der Juden herauszugeben. Friedrich übernahm eine Mammutaufgabe. Mosaiksteine hinsichtlich der Spuren waren über die ganze Welt zerstreut. Die Aufgabe war nun, alles Fehlende zu recherchieren und zu finden. Der Spieser Autor hatte den gesamten europäischen Kontinent und die USA vor sich. Archive arbeiteten erfreulicherweise gut mit ihm zusammen.

Anhand der politischen Entwicklungen und der sozialen Hintergründe schildert der Autor im Buch die Porträts der Personen. Teilweise handelt es sich auch um in St. Ingbert geborene Juden. Ihre Erlebnisse sind Teil der deutschen Geschichte, bekräftigte Stephan Friedrich. Dass es sich dabei um die Geschichte von Spiesen handelte, sei nur exemplarisch. Alles, was geschah, könne genauso gut auch auf andere Orte im Saarland passen, so Friedrich, der an einem St. Ingberter Gymnasium als Lehrer tätig ist.

Das 300 Seiten umfassende Werk (erschienen im St. Ingberter Conte-Verlag), beginnt 1788, als Fürst Ludwig den Juden Schutz angedeihen lässt, und endet mit dem Massenmord an 20 Juden. Unterstützung für das Buch gab es vom Spieser Redaktionskreis Heimatkalender. Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung weist Dinge auf, die man heute kaum verstehen kann: So wurde für den Bau der katholischen Kirche in Spiesen Geld gesammelt. Erst später wurde ihnen gestattet, einen Familiennamen weiterzugeben. Das kannte man bis dahin noch gar nicht. Ein Umstand, der für viel Durcheinander - gemessen an heutigen Standards - sorgte und Stephan Friedrich die Suche erschwerte.

Auffällig war, dass die Juden nur in Spiesen lebten und nicht in Elversberg. Von den wenigen weiteren Verwandten, die die Lager überlebten, kam niemand mehr zurück. Alleine aus Spiesen gab es nach dem Krieg 95 Entschädigungsanträge, bei denen die Opfer große Beweisnöte hatten.

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