Wochenkolumne Urwahlen machen Karrieresprünge

Die Plakate hängen, der Endspurt zum großen Wahlsonntag ist eingeläutet. Im besonderen Interesse stehen dabei für viele die Urwahlen. In allen vier Kommunen unserer Region stellen sich am 26. Mai die (Ober)-Bürgermeister und die, die es werden wollen, dem Votum der Bevölkerung.

Kolumne zur Urwahl in St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Und erneut treibt die vor Jahren von oben verordnete Basis-Demokratie mitunter seltsame Blüten. Denn viele Bewerber gehen deutlich auf Distanz zu jenen, die ihnen diese Chance auf einen kommunalpolitischen Karrieresprung überhaupt erst eröffnet haben, nämlich den Parteien. In manchen Kommunen des Landes gibt es mehr vermeintlich oder tatsächlich unabhängige Bewerber als von den Parteien offiziell nominierte.

Da drängt sich die Frage nach dem Warum geradezu auf. Was macht den Bürgermeister-Job so begehrt, wo doch ansonsten zumindest ehrenamtliches öffentliches Engagement eher rückläufig ist? Was motiviert vorher kaum bekannte, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich kaum in Erscheinung getretene Menschen, Verwaltungen mit hunderten von Mitarbeitern leiten und Kommunalpolitik machen zu wollen.

Kein Bürgermeister-Kandidat wird auf ein Wahlplakat schreiben: „Ich schlage mich gerade als selbstständiger Musiklehrer durch, würde aber gerne nach A 15, A 16 oder mehr besoldet werden.“ Oder: „Mit der Wahl zum Bürgermeister sind meine Familie und ich auch im Alter gut abgesichert.“ Stattdessen ist auf den Plakaten und in den Verlautbarungen der Amts-Anwärter oft von „Näher am Bürger“, „Schluss mit dem Parteienfilz“ oder „Gestalten statt Verwalten“ zu lesen.

Unabhängig davon, welche dieser Varianten die realistischere ist: Die Urwahlen haben in vielen Kommunen nichts wirklich verändert, an mancher Stelle sogar für jahrelangen Streit und Stillstand gesorgt. Vor allem dort, wo das Wahlvolk unabhängigen Bewerbern seine Stimmen, den etablierten Parteien aber weiter satte Mehrheiten im Kommunalparlament gegeben hat. Das eigentlich finanziell sehr gut aufgestellte St. Ingbert wird von nicht wenigen Beobachtern als Beispiel gesehen. Dabei wäre „Gestalten statt Verwalten“ in der Mittelstadt im Gegensatz zu den wesentlich „ärmeren“ Bliestal-Gemeinden noch besonders gut möglich gewesen.

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