Kolumne für St. Ingbert Die Hexennacht wird zum Hüttenabend

Auch traditionelles Brauchtum wie Hexenstreiche sollten die Regeln der Kommunikation beachten. Motto: Was wollen uns die Hexen sagen?

Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz

Früher war alles besser. Auch die Hexenstreiche. Sowas hört man in St. Ingbert vor allem vor dem 1. Mai öfter mal. Und gerne mit dem Kenner-Zusatz „früher, als die Feuerwehr noch …“ Wir erinnern uns, als das Motto der Dengmerter Wehr noch „Retten, bergen und einmal im Jahr ein lustiger Hexenstreich“ hieß. Damit die Bevölkerung am 1. Mai mal wirklich Grund zum Gaffen hatte. Die Erinnerung täuscht allerdings: Selbst von den aller tollsten Streichen der wilden Hexen mit Helm und blauer Uniform kann, sorry, liebe (Alters-)Feuerwehrleute, kaum jemand noch das Wann, Wie und Wo erzählen.

Aber warum schreibe ich das alles? Weil ich mit dem bedeutsamsten Hexenstreich dieses Jahres in ganz St. Ingbert noch nicht im Reinen bin. Eine kleine Hütte ist in der Walpurgisnacht auf dem Hexenbesen vom Großen Stiefel zum kleinen Stiefel geritten und von unbekannter Hand eingewiesen auf dem Kreisel in der Ensheimer Straße gelandet. Keine Frage, die maßstabsgerechte Heinrich-Kohl-Hütte ist putzig. Von mir aus kann sie bis in alle Ewigkeiten neben dem kleinen Stiefel stehen bleiben. Trotzdem hätte ich mir eine Botschaft gewünscht. Was wollten uns die Hexen sagen? Etwa zu jedem Fels gehört eine Hütte? Oder: Wollt ihr nicht häufiger und zahlreicher vorne links oder hinten rechts abbiegen und die Hütte des Pfälzerwaldvereins besuchen? Vielleicht war sogar eine historische Botschaft gemeint? Vor 40 Jahren hat die Stiefelhütte gebrannt – das darf nie wieder passieren! Oder steht die kleine Hütte sogar für einen großen politischen Protest: Der Zinnober um die Absperrung am Großen Stiefel ist so langwierig, dass selbst für einen angedeuteten Zaun um den kleinen Stiefel die Hexennacht zu kurz gewesen wäre. Womöglich sollte der Protest aber absichtlich verdeckt bleiben, weil Vorsicht die Mutter in der Hexenküche ist: Das Umweltministerium, das für den Stiefel, aber auch für den Straßenverkehr zuständig ist, könnte ein neues Tüv-Gutachten in Auftrag geben, um die Sicherheit des Hexenstreichs genauer prüfen zu lassen. Und das der Oberhexe dann in Rechnung stellen.

Kolumne zum Hexenstreich in St. Ingbert von Manfred Schetting
Foto: Manfred Schetting

Erfahrungsgemäß werden die Dengmerter Hexen ihre Geheimnisse hüten. Und spontane Reaktionen machten sie doch zu Helden des Brauchtums. Denn erstaunlich viele Menschen äußerten sich lobend über den Streich am Fuße des Stiefels und zeigten damit: Hexenstreiche haben weiterhin ihre festen Freunde.

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