Kolumne für St. Ingbert Wenn Liebende ihren Platz suchen

Meine Erkenntnis auf dem St. Ingberter Standesamt: Wer sich mit fremden Ehen befasst, muss sich auch der eigenen Vergangenheit stellen. Manchmal mit krummen Gedanken.

Kolumne von Manfred Schetting zum Standesamt St. Ingbert
Foto: Robby Lorenz

Als ich in dieser Woche zu Hause ankündigte, dass ich noch einen Termin auf dem St. Ingberter Standesamt hätte, erntete ich fragende Blicke. Und sofort war ich eine Antwort auf die unausgesprochene Frage schuldig, was ich denn dort wolle. Ein Trauerfall war ja zum Glück im engeren Familienkreis nicht bekannt. Dafür beichtete ich mein aktuelles Interesse an dem Thema Eheschließung. Und zwar nicht privat, sondern ausschließlich dienstlich und durch Schnapszahlen begründet. Der Termin mit den Standesbeamten selbst war eine interessante Recherche, mit viele Zahlen und verwaltungsdeutschen Wörtern, die auf -ung enden, aber auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Denn wer nicht mit Kribbeln im Bauch auf die eigene Hochzeit hin plant, landet im Hauch des Standesamts in Gedanken und Worten schnell bei der eigenen Eheschließung. War das bei uns auch schon so?, schießt einem in den Kopf. Und die Erinnerungen rattern weiter. In meinen Fall aus dem gegebenen Anlass bis in das Trauzimmer im St. Ingberter Rathaus. Und als ich im Geiste noch einmal dort vor dem Standesbeamten stand, kam die Überraschung. Dieses Trauzimmer gibt es gar nicht mehr. Es wurde schon im vergangenen Jahr – wohl mit coronabedingter Verschwiegenheit der Verwaltung – umgebaut, aber wenigstens nicht ganz zweckentfremdet. Im ehemaligen Trauzimmer steht jetzt unter anderem der Schreibtisch des Standesbeamten Tim Reidenbach. Der bemerkte trocken: „Ich schaffe jetzt jeden Tag dort, wo ich selbst geheiratet habe“.

Aller Nostalgie zum Trotz muss ich allerdings auch einräumen, dass das St. Ingberter Kulturhaus, das jetzt für Trauungen genutzt wird, allemal mehr Charme hat, als das mit Mooreiche vertäfelte Eckzimmer, in dem mein Jawort aktenkundig wurde. Allerdings gibt es aktuell noch ein Paar, das diese Stätte feierlicher Liebesworte eigentlich wirklich schmerzlich vermissen müsste. Nämlich die von Karl Riemann geschaffene Plastik „Das Liebespaar“. Sie erinnern sich? Die steinernen Liebenden hatten nämlich 2011 nach einigem Hin und Her im Stadtgebiet ihren Platz vorm Rathaus gefunden. Mit der romantischen Begründung: „Das Liebespaar und das Trauzimmer – das gehört einfach zusammen.“ Wer die Geschichte der Plastik nachliest, stößt aber auch just auf das Kulturhaus in der Annastraße, wo „Das Liebespaar“ ursprünglich mal seinen Platz hatte. Müsste es jetzt konsequenterweise nicht dort schmachten? Wenn ich noch einmal aufs Standesamt muss, höre ich nach.

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