Kolumne für St. Ingbert Der Glaube an die gute alte Zeit lebt

Der Autor blickt aus mehreren Anlässen in dieser Woche zurück und landet direkt in der Gegenwart. Beim Freibad, dem Kinderschutz und einem Graffito.

Kolumne von Manfred Schetting zum Freibad in St. Ingbert
Foto: Robby Lorenz

Wissen Sie, woran man merkt, dass man älter wird? Die Gedanken schweifen öfter zurück in die Vergangenheit, und man glaubt gerne, dass früher vieles besser war. Und angesichts der aktuellen Verwerfungen vor allem auch viel einfacher und weniger kompliziert. Wenn es früher einmal wochenlang heiß war und kein Tropfen Regen fiel, war das für alle außer Bauarbeitern und Landwirten schlicht Freibadwetter. Heute ist der heiße Sommer ein sicheres Zeichen für den unstrittig fortschreitenden Klimawandel. Und wenn es im Freibad mal Streit gab, wertete man das früher als Ausdruck jugendlichen Übermuts oder erwachsener Kraftmeierei. Heute tangiert das ein vielfach sensibilisiertes Sicherheits- oder besser gesagt Unsicherheitsgefühl. Zu Recht fragen Medien kritisch nach, wenn es in einem Freibad aggressiv oder gar kriminell wird. Doch der Eindruck, in den Bäder bahnten sich eine Gesellschaftskrise und unbeherrschbare Sicherheitslage an, ist übertrieben. Zumindest im St. Ingberter „Blau“ darf man den Wasserball flach halten. Es gibt dort durchaus Gründe für ein waches Auge, aber Zustände, die eine unverhältnismäßige Dauerkontrolle erforderten, sind meilenweit entfernt. Und wer das, warum auch immer, nicht glauben will, kann sich selbst einen Eindruck in den Schwimmbecken und auf den Liegewiesen verschaffen – und zwar ganz ungefährdet.

Dass früher alles besser war, wird spätestens im kommenden Jahr auch über den Kinderschutzbund in St. Ingbert zu hören sein. Zumindest, was dessen jahrzehntelanges Sommerferienprogramm angeht, dessen künftiges Aus in dieser Woche angekündigt wurde. Denn auch den DKSB trifft der demografische Wandel, dessen Folgen sich gerade im Ehrenamt häufen werden. Die Aktivistinnen aus der Babyboomer-Generation, die viele Jahre Stütze aller Angebote waren, sind keine Jungspunde mehr. Aus Frei- und Familienzeit wird Arbeits- und Pflegezeit. Und auch Nachwuchs der Helferinnen hat inzwischen spätestens mit Beginn von Studium oder Ausbildung anderes im Sinn als Ferienbetreuung. Schade, denn Kinderschutz und Kinderbetreuung sind derzeit wichtiger denn je.

Wenigstens die soziale Kontrolle scheint in St. Ingbert aber noch zu funktionieren, wie eine Farbwand beim ehemaligen Hotel Edelweiß in der Kohlenstraße zeigt. Kaum hatte der Spraykünstler die erste Schablone angelegt, riefen Nachbarn die Polizei auf den Plan. Dass dort ganz legal ein Graffito im Auftrag der Stadt entstand, hatte das Rathaus der Polizei zu melden vergessen.

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