Kolumne Wie viel Einschränkung ist noch erträglich?

Mit einer Tag für Tag wachsenden Verunsicherung sind wir vor gut sieben Wochen in die Corona-Krise gestartet. Dann versetzte uns die schlagartige Lähmung des öffentlichen Lebens und die erste Allgemeinverfügung in eine kurzzeitige Schockstarre.

 Manfred Schetting

Manfred Schetting

Foto: SZ/Robby Lorenz

Der folgte eine beispiellose Anpassung an die Einsicht, dass besondere Zeiten besondere Maßnahmen erfordern. Vorrang hatte, was der privaten und öffentlichen Gesundheit diente. Wir arrangierten uns und wurden findig, das dringend Notwendige und das getrost Verzichtbare zu unterscheiden. Doch inzwischen scheinen viele Menschen die eine gefühlte Ewigkeit dauernde Stubenhockerei, Verzicht und Abstandsgebot satt zu haben. Die Statistik mit den Infektionsfolgen und die mahnenden Worte der Virologen kämpfen immer mehr mit dem vielfachen Wunsch, es sei allmählich genug mit der Ausnahmesituation und ein bisschen Rückkehr zu Normalität könne doch nicht schaden. Eine gerade für Politiker heikle Stimmungslage greift spürbar um sich.

Und auch ein Beispiel im Lokalen findet sich leicht: In St. Ingbert wird am 7. Mai der Stadtrat im Sonderausschuss Corona tagen. Und in Blieskastel eine Woche später wieder der komplette Stadtrat und im Folgemonat auch die Stadtratsausschüsse. Beide Stadtratssitzungen werden ihre Gemeinsamkeit haben und die Ausnahmesituation widerspiegeln. Hier wie da wird der „enge“ Sitzungssaal gegen die größte Kulturhalle am Ort getauscht, um die Hygienevorschriften und den größtmöglichen Abstand einzuhalten. Aber in der Mittelstadt kommen elf Ausschussmitglieder in die Stadthalle, in der Barockstadt 33 Stadträte in die Bliesgau-Festhalle. Die Nuancen machen’s und geben durchaus unterschiedlich deutbare Signale. Ist das eine überängstlich, das andere (endlich) ein Schritt zur Normalität? In Blieskastel steht obendrein ein Beschluss über Haushalt an. Am wichtigsten Recht eines Stadtrats sollten doch alle seine Mitglieder auch öffentlich mitwirken. Muss man da nicht flexibel sein? Andererseits darf man aber auch die Frage stellen, wie viel ein solches Zahlenwerk angesichts der unabsehbaren finanziellen Folgen der aktuellen Krise auch für die Kommunen wirklich wert ist. Verflucht aber auch, wer möchte jetzt schon entscheiden, ob bereits eine leichte Lockerung der Einschränkungen die Lösung oder noch monatelang resolute Risikovorsorge das richtige Rezept ist? Der Umgang mit dem Corona-Virus bleibt Glaubensfrage und Geduldsspiel.

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