Kolumne Unsere Woche Vom gewaltigen Frust-Suff einer illustren Truppe

Der Pressesprecher der Stadt St. Ingbert erzählt, weil er schon lange im Rathaus weilt, die schönsten Geschichten. Als vor 30 Jahren die DDR unterging, war Peter Gaschott für den reibungslosen Ablauf der Städtepartnerschaften zuständig.

Kolumne Unsere Woche
Foto: SZ/Robby Lorenz

Und damit auch für die Delegationen, die regelmäßig aus Radebeul anreisten. Immer sechsköpfig, in Diensten ihrer Stadt, handverlesen auf hoher sozialistischer Ebene und einer von ihnen stets ein Stasi-Mann. Niemand wusste, wer das war, aber wurscht, er kam immer schön mit.

Blöde nur, dass noch ein Treffen in St. Ingbert anstand, als sich die hochoffiziellen Begegnungen zu Ende des Jahres 1989 nach dem Mauerfall eigentlich schon erübrigt hatten. Nun denn, die Herrschaften aus Radebeul reisten dennoch an, wohl wissend, dass politisch so ziemlich ihr letztes Stündlein geschlagen hat, dass sie als Repräsentanten eines untergehenden Staatsgebildes nichts mehr zu melden und von ihrem „Volk“ nichts mehr zu erwarten haben. Und so nutzten sie ihre allerletzte Fahrt nach St. Ingbert quasi als Abschiedstour – bei der es galt, den Verdruss über den Niedergang der DDR wenigstens mal temporär vergessen zu machen.

Im Hotel Wildpark in Hassel waren die Gäste aus dem Osten untergebracht. Und von dort kam am Ende auch die Rechnung für Kost und Logis des illustren Sextetts. Überliefert ist, dass den damaligen Oberbürgermeister Winfried Brandenburg – er war und ist nicht gerade als verschwenderisch bekannt – eine Art Schnappatmung ereilte, als er sah, was da aus dem Stadtsäckel zu zahlen war. Denn seine Gäste waren dem Frust-Suff erlegen. Nicht weniger als 197(!) Glas Bier und eine Flasche Cognac – bei nur zwei Übernachtungen – genehmigten sie sich und ihrer Leber. „Dehydriert war die Truppe bestimmt nicht“, merkt Peter Gaschott ganz nüchtern an. Dass sich die Rechnungsprüfer vor Freude auch nicht überschlagen beziehungsweise die Schalmeien geblasen haben, das muss man wohl nicht extra erwähnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort