Wochenkolumne Bürger unterwegs in eigener Sache

Bürgernähe wird in den vor uns liegenden Wahlkampf-Monaten eines der meistzitierten Schlagworte sein, mit denen Kandidaten um Stimmen werben. Die erfahrenen unter ihnen wissen allerdings, dass dieses „das Ohr am Mund der Bürger haben“ in der Praxis ein äußerst schwieriges Unterfangen ist.

Kolumne Unsere Woche in St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Denn nicht wenige Wähler tragen gerade ihren lokalen Volksvertretern inzwischen ziemlich individuell ausgestaltete „Probleme“ vor. Da ist zum Beispiel das Schild in einem Seitenweg der St. Ingberter Straße in Hassel, das auf Wunsch einer Anliegerin und auf Initiative einer kommunalen Volksvertreterin von der Stadtverwaltung aufgestellt wurde und verirrten Autofahrern eine Hilfe sein soll. „Gut gemacht“ möchte man spontan sagen. Doch einige Hasseler sehen das ganz anders: Sie halten das Schild für ziemlich überflüssig. Zu selten verirre sich tatsächlich ein Auto in diese kleine Seitengasse. Ähnlich könnte ein Fall aus der Saarbrücker Straße liegen, den unsere Redaktion vor einigen Tagen recherchierte. Dort klagt ein Bürger, dass die Radweg-Schilder vor Events auf der Alten Schmelz hochgeklappt und der Radweg auf dem Bürgersteig zur Parkzone erklärt wird. Das Zeug zum Skandal hat dieses Vorgehen der Stadtverwaltung nur bedingt. Zum einen machen die paar Events dort die Sache nicht zu einem Dauer-Problem. Zum anderen dürfte die Zahl der etwa Samstagsabends dort radelnden Betroffenen überschaubar sein.

Ähnlich gestrickt ist auch die Klage eines anderen Bürgers, der sich daran stört, dass es der Stadtverwaltung noch nicht gelungen ist, von ihm bevorzugte Waldwege unter anderem nach den Unwetterschäden des Sommers wieder herzurichten. „Na und“ sagen dagegen andere. „Lassen wir nicht gerade anderswo wieder Urwälder wachsen? Und Waldwege sind nun mal keine Einkaufsmeilen für Stöckelschuhe.“ Oder auch der schöne Elstersteinpark in St. Ingbert. Dort stehen sich seit einiger Zeit Naturfreunde scheinbar unversöhnlich gegenüber. Die einen freuten sich, dass dort Ziegen und Schafe das Gelände naturnah vor Verbuschung und Verwilderung schützten. Die anderen fühlen sich mit oder ohne Hund bei Spaziergängen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und wollen dort weder Weidetiere noch Zäune. In der Sache soll mit dieser Aufzählung, die sich problemlos erweitern ließe, keine Entscheidung getroffen sein. In allen Fällen hat jede Seite ihre Argumente. Aber sie zeigt, wie schwierig das „bürgernahe“ Geschäft für Politiker und Verwaltungen inzwischen geworden ist. Macht man den einen froh, verprellt man oft andere.

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