Kolumne Unsere Woche für St. Ingbert Und Freddy lässt traurig die Ohren hängen

Weihnachten im Jahr 2020: „Ho, ho, ho! Drauß‘ vom Walde komm ich her, ich muss Euch sagen, Euer Handdesinfektionsspender am Eingang ist leer.“ Solche und andere Witze fliegen jetzt tief. Was wiederum zeigt, dass einige Leute ihren Humor noch nicht verloren haben.

Kolumne Unsere Woche für St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Nicht so lustig drauf sind verständlicherweise die Mitglieder des Kleintierzuchtvereins Walsheim. Sie vermelden, dass alle Ausstellungen aus den allseits bekannten Gründen untersagt sind. Und dass dies für ihre Kaninchen nicht ohne Konsequenzen bleibt. Hierzu haben wir ganz aktuell ein Interview geführt mit einem erbosten wie ängstlichen Vierbeiner der Rasse Deutscher Widder, eine ausgesprochene Schönheit. Er heißt Freddy und war sehr auskunftsfreudig gegenüber der Presse.

Erste Frage an das Tier: Wie geht es Ihnen nach diesen Nachrichten in turbulenten Zeiten?

Freddy: Miserabel, ganz miserabel. Wie sich doch die Zeiten ändern. Bislang hab ich mich noch immer wahnsinnig aufgeregt über das, was da so geschieht in diesen Kaninchen-Ausstellungen. Weil zu normalen Zeiten wahre Menschenmassen an meinem Ställchen vorbeiziehen. Die Kinder glotzen mich blöde an und schreien: „Ooooch, iss der niedlich!“ Und die Eltern schämen sich nicht, darauf barsch zu antworten: „Gib‘ dir keine Mühe. Sowas kommt uns nicht ins Haus.“ Geärgert hab‘ ich mich immer auch über die Leibesvisitationen, die mein Mensch eiskalt zugelassen hat. Der zog mich aus meinem gemütlich mit Stroh ausgepolsterten Eigenheim. Und der Prüfer langte mir mit flinken Fingern hemmungslos ins Fell. Drehte mich – vollkommen entwürdigend – auf den Rücken und untersuchte jeden Zentimeter meines Körpers. Weitere Einzelheiten erspare ich mir und Ihnen an dieser Stelle. Ich äußere mich hier schließlich in einer Familienzeitung.

Frage: Und nun?

Freddy: Vermisse ich diese Ausstellungen. Es war eine herrliches Dasein – im Gegensatz zu dem, was uns in der heutigen sehr unerfreulichen Zeit erwartet.

Frage: Werden Sie, bitteschön, mal etwas konkreter.

Freddy: Nun, ich hab‘ da mal investigativ recherchiert und rausgefunden, dass mir und den anderen Jungs und Mädels das Fell über die Ohren gezogen wird. Stand wohl auch schon in Ihrer Zeitung. Unsere Menschen haben sich mit dem Schlimmsten abgefunden. Schlachtkaninchen im Angebot statt Laufsteg, Hasenrollbraten statt Kreismeister-Pokal. Schon von Natur aus lasse ich ja, der Deutsche Widder, die Ohren hängen, doch nun hängen sie noch ein bisschen tiefer.

Lieber Freddy, wir danken Ihnen für dieses (letzte) Gespräch.

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