Unternehmer in der Krise Gewerbemieten zwischen den Fronten

St. Ingbert · Wie gehen Kleinunternehmer mit den Mieten um, die sie zahlen sollen, obwohl der eigene Laden vorerst geschlossen bleibt?

 Die Stadt St. Ingbert hat beschlossen, die Mieten für die stadteigenen Gebäude für Unternehmer zunächst zu stunden. Während der Corona-Krise können Gewerbetreibende dies auch bei privaten Vermietern beantragen.

Die Stadt St. Ingbert hat beschlossen, die Mieten für die stadteigenen Gebäude für Unternehmer zunächst zu stunden. Während der Corona-Krise können Gewerbetreibende dies auch bei privaten Vermietern beantragen.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Große Empörung war in den vergangenen Tagen in Politik und Medien aufgekommen, weil Adidas, H&M und Co. beschlossen, wegen der vorübergehenden Ladenschließungen vorerst keine Mieten mehr zu zahlen und diese stunden zu lassen. Kurz zuvor hatte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) ein Gesetz zum Corona-Schutz von Mietern durchbekommen, dass eigentlich dafür sorgen sollte, Ladeninhabern während der Krise ihre Existenz zu sichern. Mit einer Stundung der Mieten können so Gewerbetreibende, die gerade keine Einnahmen verzeichnen, über die Runden kommen – bis sie wieder liquide genug sind, die gestundeten Mieten abzuzahlen. „Einfach keine Miete mehr zu bezahlen, das geht natürlich nicht“, erklärt Joachim Hahn, Anwalt des Vereins Haus und Grund St. Ingbert.

„Der vorübergehende Kündigungsschutz soll Mietern helfen, die durch die Corona-Krise in Existenznot geraten“, sagte Ministerin Lambrecht der Süddeutschen Zeitung. Dass es jetzt aber immer mehr Firmen gibt, die ihre Ladenmieten zurückhalten – auch große Handelsketten – erscheint vielen unfair. „Diese Regelung bietet keinerlei Grundlage dafür, dass finanzstarke Unternehmen jetzt einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen“, betonte Lambrecht.

Es seien doch viel mehr die lokalen Kleingewerbe, die nicht über große Online-Angebote verfügen, die man in diesen Zeiten unterstützen müsse, findet Martina Quirin von der Wirtschaftsstabsstelle St. Ingbert. „Wir stehen telefonisch zur Beratung bereit und informieren über die Möglichkeit, einen Zuschuss über das Soforthilfe-Programm des Landes zu bekommen“, erklärt sie, „wir hatten schon sehr viele Anrufe von lokalen Unternehmern, die nicht wissen, wie sie ihre Mieten nun zahlen sollen.“

Das Hilfs-Programm des Bundes wurde zwar schon beschlossen, doch bisher ist im Saarland noch keine Antragsstellung möglich. „Wir sitzen sozusagen áuf glühenden Kohlen und warten darauf, die Informationen über die Antragsformulare zur Verfügung stellen zu können“, bestätigt Quirin. Seit Mittwoch, 1. April, sollte das Soforthilfeprogramm des Bundes greifen. Wem gemäß Bundesprogramm mehr Geld zustünde, als ihm diese Woche schon vom Land bewilligt wurde, dem soll das Land den Rest noch nachreichen.

„Das ist leider gar nicht so einfach mit dem Antrag auf die Zuschüsse. Man darf zum Beispiel kaum etwas angespart haben. Es gibt sehr strenge Regeln, wer Zuschüsse bekommen darf“, weiß Barbara Lill-Neufang, Leiterin des Geschäfts „Lingeri B“ in St. Ingbert. Besitz in jeglicher Form würde angerechnet. Das könne dazu führen, dass kein oder nur ein geringer Zuschuss bewilligt wird. Und wie geht die St. Ingberter Unternehmerin nun mit den Mieten um? Musste sie doch ihr Geschäft komplett schließen. „Also ich hab’ schon eine Woche bevor Adidas keine Mieten mehr zahlen wollte mit meinem Vermieter gesprochen. Ich muss dazu sagen, dass ich den wohl besten Vermieter der Welt habe. Er hat mir zugesagt, dass ich erst mal keine Miete zahlen muss und wir gemeinsam nach der Krise schon eine Lösung dafür finden werden“, berichtet Barbara Lill-Neufang zufrieden. Dennoch bekräftigt sie auch ihr Verständnis für die Vermieter. Es seien eben nicht alle in der Lage, so wie das bei ihrem Vermieter der Fall sei, temporär auf die Miete zu verzichten. Es gebe auch Vermieter, die selbst auf die Einnahmen der Mietzahlungen angewiesen sind – nicht jeder sei ein „großer Immobilienbesitzer“. Das Problem scheint sich so nur zu verlagern.

Joachim Hahn, Rechtsvertreter des Vereins Haus und Grund St. Ingbert kann den Vermietern nur empfehlen auch zu überlegen, ob eine Stundung der Mieten, denn auch Sinn macht. „Zunächst muss ein Unternehmer erst einmal nachweisen, das heißt ‚glaubhaft machen’, dass er in ernste finanzielle Probleme gerät, wenn er die Miete weiter zahlen muss. Erst nach einem solchen Nachweis kann die Miete gestundet werden.“ Das gelte natürlich auch für große Konzerne, die aber – im Gegensatz zu Kleinunternehmern – auch auf eine „Armee“ an hoch qualifizierten Rechtsvertretern zurückgreifen können. „Ich vertrete die lokalen Vermieter und kann diesen nur empfehlen, bei einer abgesprochenen Stundung der Mieten darauf zu achten, dass das Gewerbe, an das er vermietet, auch bis nach der Krise überlebt. Wenn das fragwürdig ist, wäre eine Stundung natürlich nicht empfehlenswert. Viele ‚Kleinvermieter’ hängen von ihren Mieteinnahmen ab“, erläutert der Anwalt.

Als Gewerbebetreibender ist es wohl am besten, sich mit dem Vermieter zu besprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Auch die Inhaberin eines Geschäfts in der St. Ingberter Innenstadt hat diese Strategie gewählt: „Im neuen Mieterschutzgesetz ist ja auch festgelegt, dass eine mögliche Stundung der Miete während der Krise machbar ist. Nachträglich zahlen muss man dann spätestens 2022. Ich hab das mit meinem Vermieter persönlich geklärt, und wir haben uns auch ohne Anwalt geeinigt.“ Dies ist auch die Empfehlung der Wirtschaftsstabstelle: „Hier in St. Ingbert kennt man sich ja auch und sucht am besten zusammen eine Lösung. Denn so gut wie jeder ist ja von der Krise betroffen.“ H&M hat in St. Ingbert Glück: Die Stadt besitzt nur sehr wenige Gebäude, in denen Gewerbe betrieben wird, hat aber bereits beschlossen für alle Gewerbetreibenden, die bei der Stadt mieten, einer Stundung der Mieten zuzustimmen: „Die meisten Mieter sind langjährige St. Ingberter Kleinunternehmer, denen wir so helfen möchten.“

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