"Jury ist Aufgabe nicht gerecht geworden"

Herr Professor Quasten, der Vorschlag des Historischen Vereins, die neue Brücke in Blieskastel nach dem gebürtigen Blieskasteler David Oppenheimer zu benennen, wurde von Jury und Stadtrat verworfen. Sind Sie enttäuscht?Quasten: Ich kann nicht sagen, dass mir die Ablehnung unseres Vorschlages gleichgültig ist

 Der Blieskasteler Stadtrat hat auf Vorschlag einer Jury beschlossen, dass die neue Brücke zwischen Webenheim/Mimbach und Blieskastel-Mitte den Namen Bliesbrücke erhält. Foto: Joachim Schickert

Der Blieskasteler Stadtrat hat auf Vorschlag einer Jury beschlossen, dass die neue Brücke zwischen Webenheim/Mimbach und Blieskastel-Mitte den Namen Bliesbrücke erhält. Foto: Joachim Schickert

Herr Professor Quasten, der Vorschlag des Historischen Vereins, die neue Brücke in Blieskastel nach dem gebürtigen Blieskasteler David Oppenheimer zu benennen, wurde von Jury und Stadtrat verworfen. Sind Sie enttäuscht?Quasten: Ich kann nicht sagen, dass mir die Ablehnung unseres Vorschlages gleichgültig ist. Aber ich bin nicht enttäuscht darüber, dass es der Vorschlag des Historischen Vereins war, der verworfen worden ist. Entscheidend ist das erzielte Ergebnis. Das ist enttäuschend. Der Historische Verein hatte nichts dagegen, die Bürger um Vorschläge für den Namen der neuen Brücke zu befragen. Auch gegen das Konzept, die Anregungen der Bürger zunächst durch eine "neutrale" Jury beurteilen zu lassen, die dem Stadtrat eine Empfehlung geben sollte, hatte er nichts einzuwenden. Zu kritisieren ist allerdings, wie das Verfahren dann gelaufen ist.

Wie finden Sie den Namen "Bliesbrücke", den die Jury nach einer Bürgerbeteiligung vorgeschlagen hatte und den der Stadtrat schließlich mit großer Mehrheit akzeptiert hat?

Quasten: Die Jury hat nicht verstanden, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer Funktionsbezeichnung für ein öffentliches Bauwerk, wie zum Beispiel "Bahnhof", und einem Namen, einer individuellen, möglichst einmaligen und unverwechselbaren Kennzeichnung eines öffentlichen Bauwerkes, wie zum Beispiel "Kardinal-Wendel-Straße". In der Resolution des Historischen Vereins zum Brückennamen ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Funktionsbezeichnungen keine echten Namen sind. "Bliesbrücke" ist die Abkürzung für "Brücke über die Blies", also die Benennung der Funktion, die die Brücke hat. Bliesbrücken gibt es aber zuhauf, nämlich rund 60 Bliesübergänge, die von Autos oder der Eisenbahn befahren werden. Der Historische Verein hat begründet, dass unter den vielen Bliesbrücken die neue Brücke in Blieskastel aus formalen, historischen und städtebaulichen Gründen etwas Besonderes darstellt, daher einen "echten Namen" bekommen sollte. Die Jury hätte aus diesen Gründen den Vorschlag "Bliesbrücke" von Anfang an eliminieren müssen. Wenn schon ausschließlich die quantitativen Werte der Meinungsumfrage Kriterium für die Empfehlung der Jury an den Stadtrat waren, dann bleibt es ein Geheimnis der Jury, aus welchen Gründen hinter der höchsten Stimmenzahl für "Bliesbrücke" die vierthöchste Anzahl der Nennungen, nämlich "Mariannenbrücke", als Zweitempfehlung ausgesprochen wurde, während die zweithöchste Anzahl der Nennungen, nämlich "David-Oppenheimer-Brücke", gar nicht genannt wurde. Die Jury ist ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden.

Und wie beurteilen Sie die Entscheidung des Stadtrats? Bei der betreffenden Ratssitzung kürzlich waren Sie ja im Rathaus selbst mit dabei.

Quasten: Der Stadtrat war selbstverständlich an die Empfehlung der Jury nicht gebunden. Ich hatte mir gewünscht, er hätte sich als Herr des Verfahrens bekannt, die Empfehlung "Bliesbrücke" als ungeeignet erkannt und diese Bezeichnung abgewiesen. Der Rat der Stadt Schwäbisch Gmünd, der über den Namen "Bud-Spencer-Tunnel" entscheiden sollte - der bei einer Bürgerbefragung die weitaus meisten Stimmen erhielt -, hat mit seiner Ablehnung gezeigt, wie er zu seiner Verantwortung für die Namen von öffentlichen Bauwerken steht. Wenn sich der Stadtrat von Blieskastel in ähnlicher Weise entschieden hätte, wäre es nicht dazu gekommen, dass die Meinung von 68 Personen - weniger als ein halbes Prozent der zu dieser Befragung aufgerufenen Bürger Blieskastels - ausschlaggebend für den womöglich jahrzehntelang geltenden Namen unserer Brücke geworden wäre. In der Außenwirkung hätte David-Oppenheimer-Brücke für die Verbindung von Geschichtsbewusstsein, Heimatbezug, Leistungswürdigung und Weltoffenheit gestanden: David Oppenheimer - in den 1830er Jahren in Blieskastel geboren, wirtschaftlich erfolgreicher Förderer öffentlicher Belange in Amerika, in den 1880er Jahren landesweit bekannter und geachteter Bürgermeister der neugegründeten kanadischen Stadt Vancouver. Die Allerweltsbezeichnung "Bliesbrücke" steht eher für Beharrung und Einfallslosigkeit, auch für die Stadt Blieskastel.

Wird Ihr Verein einen weiteren Versuch unternehmen, dass in Blieskastel eine Straße, ein Platz oder ein Bauwerk nach Oppenheimer benannt werden soll?

Quasten: Durch die intensiv geführte Diskussion um den Brückennamen ist die Haltung des Historischen Vereins in der Bevölkerung bekannt geworden. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es der Stadt gut anstehen würde, seinen weltweit berühmtesten Sohn David Oppenheimer durch die Benennung eines öffentlichen Bauwerkes nach ihm zu ehren. Die Begründung des Vereins für seinen Vorschlag ist von vielen Seiten - auch von den Fraktionen im Stadtrat - als überzeugend beurteilt worden. Wir werden daher bei einer nächsten passenden Gelegenheit auf unseren Vorschlag zurückkommen.Foto: Privat