Buchkritik Im „Schafland“ tun sich Abgründe auf

Saarpfalz-Kreis · Der Regionalkrimi von Pseudonym-Autor Gabriel Hermes skizziert korrupte Politiker, Vetternwirtschaft und kriminelle Umtriebe, denen ein Zeitungsmitarbeiter auf die Schliche kommt. So manche vermeintliche Anleihe an die Realität lässt einen Schmunzeln. Eine Buch-Kritik.

 Cover Schafland von Gabriel Hermes

Cover Schafland von Gabriel Hermes

Foto: Eric Kolling

„Personen und Handlungen dieses Romans sind frei erfunden. Sollte jemand trotzdem den Eindruck gewinnen, es gäbe Parallelen zu realen Geschehnissen, muss er sich die Frage stellen, woran das liegen könnte.“ Im Regionalkrimi „Schafland“ hat dieser Standard-Nachsatz eine ganz besondere Bedeutung. Denn hier schmunzelt man des Öfteren, weil man sich eben sehr an reale Geschehnisse erinnert fühlt – und geneigt ist, auch Erfundenes für bare Münze zu nehmen.

Das hatte der Autor offenkundig auch bezweckt. Er hat das Werk unter dem Pseudonym Gabriel Hermes (Gabriel war Erzengel, Hermes der Götterbote von Zeus) in Eigenregie veröffentlicht. Dass der Handlungsort Homburg sein könnte, deutet nicht zuletzt das Buchcover mit dem Rathaus am Forum an – auch wenn der Stadtname nie erwähnt wird. Und es sind schlimme Zustände, die Hermes beschreibt, nicht nur in der Stadt, sondern im kompletten „Schafland“ (was man leicht als das Saarland ausmachen könnte).

Da gibt es etwa den „Bölklinger“ Oberbürgermeister, der mit einer Fischzuchtanstalt Millionen Euro in den Sand setzt, ohne die Konsequenzen zu tragen. Oder eine Politikchefin, die 40 Millionen Euro für ein Museum zu verantworten haben soll, ohne letztlich zur Rechenschaft gezogen zu werden – im Gegenteil, macht sie doch in der Bundespolitik Karriere.

Besonders schlimm sind nach Hermes Ausführungen Vetternwirtschaft, Korruption und Selbstbedienungsmentalität in der Handlungsstadt ausgeprägt. Sinnbild dafür ist bei ihm das Stadtoberhaupt, das er nur „der OB“ nennt. Die Figur geht in einem stadtbekannten Café ein und aus, wird womöglich sogar fremdgesteuert. In einem Selbstgespräch offenbart er die Erwartung, dass nach ihm ein Platz oder eine Straße benannt werden möge, man von ihm eine Bronzebüste schaffen und einen Kreisverkehr damit schmücken könne. Die Bürger versucht er mit Ankündigungen über vergebene Aufzugsarbeiten, eine werdende Umgehungsstraße oder ein neues Fußballstadion um den Finger zu wickeln.

Die Handlung spielt 2019 und 2020 und unterscheidet sich im Wesentlichen von tatsächlich Geschehenem. So sind im Buch etwa besagter Oberbürgermeister und sein Vorgänger nach Anklagen vor dem Landgericht mit einem blauen Auge davongekommen. Protagonist des Romans ist der freie Zeitungsmitarbeiter Raffael Graumann, dessen Zeitungskollege und Kumpel Patrick Backes zu Beginn in einer Tiefgarage hinterrücks ermordet wird. Wem war er durch seine investigative Recherche auf die Schliche gekommen? Der italienischen oder der russischen Mafia, die in der Stadt ihr Unwesen treibt? Oder korrupten Politikern? Graumann recherchiert in der Szene, befragt Insider aus dem Stadtrat und gerät bald selbst in die Schusslinie. Mord in der Tiefgarage, Häuserbrände und explodierende Restaurants als Mafia-Racheakte und eine bitterböse Schlusssequenz an einer Kläranlage – der Autor hat einiges aufgefahren und beschreibt die Vorgänge und Verwicklungen in der Stadt oft schon nicht mehr augenzwinkernd, sondern fast verzweifelt bis empört, etwa bei den Vergütungen von Bankdirektoren oder bei Posten- und Auftragsgeschacher zwischen den großen Parteien.

Sprachlich bleibt der Autor weitgehend mäßig, schwelgt mal zu sehr in Beschreibungen, die nichts zum Fortgang der Handlung oder Atmosphäre beitragen, ist dann aber wieder sehr sprunghaft. Einige handwerkliche Fehler gehen sogar so weit, dass Namen von Hauptfiguren verwechselt werden. Lesenswert ist das Buch dennoch - und vor allem, wenn Insider aus Polizei, Verwaltung oder Stadtrat dem Protagonisten erklären, was alles Krummes in Hermes‘ erdachter Stadt abläuft: Aufsichtsbehörden schauen weg, Strafverfolgungsbehörden sind unterbesetzt. In Ausschreibungen werden Leistungen gepackt, die nicht abgerufen werden. Weil Günstlinge der Verwaltung das wissen und diese Posten günstig anbieten, kriegen sie den Gesamtauftrag. Oder über Tochtergesellschaften werden verschleiert Millionen-Defizite des laufenden Betriebs für das „Eukalypso“-Spaßbad ausgeglichen.

Einfach Spaß macht die „Dekodierung“ der Personen und vor allem Handlungsorte: Jägersburg ist etwa Försterburg, Neunkirchen Eunkirchen und Bexbach wird zu Drecksbach. An einer Stelle unkt jemand: „Nach meiner Erfahrung spielen weder Leistung noch Fähigkeit eine Rolle. Das Einzige, was zählt, ist Loyalität. Loyalität wird gesichert über Begünstigungen oder über Ehrenämter.“ Im „Schafland“ tun sich wirklich Abgründe auf.

Gabriel Hermes: Schafland, Taschenbuch, 314 Seiten, ISBN: 978-1795693080

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