Hilfe im Zentrum der Verwüstung

St Ingbert · Schlimme Szenen bleiben den medizinischen Helfern in Erinnerung, die unmittelbar nach dem Taifun Haiyan auf den Philippinen im Einsatz waren. Mehr noch zählt für das Ärzteteam aus dem Saarland die Dankbarkeit der Menschen für die Hilfe.

 Eine schier unvorstellbare Verwüstung hatte der Taifun im November auf der Insel Leyte hinterlassen. Fotos: KKH

Eine schier unvorstellbare Verwüstung hatte der Taifun im November auf der Insel Leyte hinterlassen. Fotos: KKH

 Ein Blick in den Not-OP im Rathaus von Tanauan.

Ein Blick in den Not-OP im Rathaus von Tanauan.

 Trümmer über Trümmer sind von dem Taifun geblieben.

Trümmer über Trümmer sind von dem Taifun geblieben.

 Die Helfer aus dem Saarland auf dem Flughafen. Links im Bild Dr. Clemens Bieringer und daneben Dr. Ashley Dindoyal.

Die Helfer aus dem Saarland auf dem Flughafen. Links im Bild Dr. Clemens Bieringer und daneben Dr. Ashley Dindoyal.

Im Hollywood-Kino geht es immer rasch: Kaum ist die Naturkatastrophe halbwegs überstanden, rücken Hilfstrupps an und versorgen die zahlreichen Wunden. Wie ein Katastropheneinsatz real aussieht mit all seinen Tücken, davon kann ein Team aus dem St. Ingberter Kreiskrankenhaus (KKH) berichten. Die Männer und Frauen waren auf der philippinischen Insel Leyte. Und dort im Zentrum der Verwüstung, die der Taifun Haiyan am 8. November hinterlassen hatte. Bis Mitte Dezember halfen die Saarländer. Von unglaublichen Bildern der Zerstörung berichten sie, von unglaublicher Bürokratie, von unglaublicher Konkurrenz unter Hilfsorganisationen, aber auch von enormer Dankbarkeit.

Eigentlich war ein ganz anderer Einsatz geplant, erzählt Dr. Clemens Bieringer. Im November 2012 war ein Team auf der Philippinen-Insel Siquijor, um dort medizinische Hilfe zu leisten. Der Kontakt war über einen ehemaligen Assistenzarzt aus dieser Region entstanden. Mit einem Container voll medizinischer Hilfsgüter wollten sich die Pfleger und Ärzte - neben Mitarbeitern des Kreiskrankenhauses gehörte auch eine Gruppe aus dem Saarbrücker Caritas-Klinikum dazu - zwölf Monate später wieder dorthin aufmachen. Dafür opferten sie Freizeit und das Geld für die Flugtickets, die Klinik sowie Firmen für medizinischen Bedarf unterstützten das Projekt. Wenige Tage vor ihrer Abreise zog dann jedoch der tropische Wirbelsturm über die Philippinen. Bieringer: "Als wir das Ausmaß gesehen haben, beschlossen wir, im Katastrophengebiet unsere Hilfe anzubieten." Neben ihm gehörten vom KKH der pensionierte Chirurg Ashley Dindoyal, Anästhesie-Arzt Christopher Nehl, Daniela Forler (Anästhesie-Schwester), Christian Motsch (Anästhesie-Pfleger) und Maike Eisler (OP-Schwester) zu der Gruppe.

Auch wenn sie nur unweit vom ursprünglichen Ziel zum Einsatz kamen, zog das einigen bürokratischen Aufwand nach sich. Die Akkreditierung musste geändert werden, was nach den Worten des Chirurgen nicht ganz einfach war. Sechs Behörden waren zudem involviert, berichtet Pfleger Motsch, um den Medizin-Container durch den Zoll und in die richtige Richtung zu bringen. In ihm befanden sich unter anderem OP-Tische und Narkosegeräte. Die Helfer kamen zunächst nach Baybay, einer 100 000-Einwohner-Stadt an der Ostküste Leytes. Die Bürgermeisterin holte sie vom Hafen ab, eine Militär-Eskorte war immer dabei. "In den ersten Tagen war die Sicherheitslage prekär", erläutert Bieringer. Schnell zeigte sich, dass dieser Teil der Insel kaum betroffen war. Und auch wenn die Bürgermeisterin sie nicht gerne ziehen ließ, sie unterstützte die Saarländer doch auf ihrem Weg nach Norden. Da die Spedition sich weigerte, den Container ins Landesinnere zu bringen, nahm das Material auf zwei Lkw seinen weiteren Weg, notdürftig mit Planen gegen die starken Regenfälle gesichert und vom Militär begleitet.

Von einem "unvorstellbaren Bild der Zerstörung" in Tacloban und Tanauan sprechen die Männer und Frauen des Kreiskrankenhauses. Und das auf einer Fläche, so groß wie das Saarland. Bieringer: "Die Bäume waren reine Skelette, ein 40-Tonnen-Lkw lag im Gebüsch, Seitenstraßen waren nicht passierbar." Tote lagen in Säcken am Straßenrand. Leichen seien auf einer Kreisverkehr-Insel beerdigt worden, weil dort kein Schutt lag.

In der 50 000-Seelen-Gemeinde Tanauan baute das Team im Rathaus seinen OP-Raum auf. Viele schlimme Verletzungen habe man operiert. Besonders Schnittwunden. Zum Schlafen waren alle in einem überfüllten Haus, aber mit großer Gastfreundschaft untergebracht. Die Erfahrungen mit anderen Hilfsteams waren unterschiedlich. Während etwa Australier oder Mormonen-Ärzte aus den USA gute und kooperative Arbeit geleistet hätten, sei die bekannte Organisation "Ärzte ohne Grenzen" "extrem arrogant" aufgetreten. "Sie waren überall dort, wo die Kameras waren", sagt Bieringer. Ihre Arbeit verrichteten sie in einem abgeschotteten Camp. Aber das war nur ein Aspekt. Die vielen dankbaren Gesichter bleiben weit wichtiger.

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