Harald Köhl polarisiert
St. Ingbert. Kabarett hat gemeinhin die Funktion wach zu rütteln, zu polarisieren, zu kritisieren und vor allem zum Nachdenken anzuregen. Beim Kabarettabend unter dem Titel "Unter Kannibalen" mit dem St. Ingberter Harald Köhl war am Dienstagabend hingegen bis auf das Polarisieren und das Kritisieren einiges anders
St. Ingbert. Kabarett hat gemeinhin die Funktion wach zu rütteln, zu polarisieren, zu kritisieren und vor allem zum Nachdenken anzuregen. Beim Kabarettabend unter dem Titel "Unter Kannibalen" mit dem St. Ingberter Harald Köhl war am Dienstagabend hingegen bis auf das Polarisieren und das Kritisieren einiges anders. Im Ratskeller schien vor allem die Gegensätze einen breiten Raum einzunehmen. Das zeigte sich in den Gesprächen in der Pause und auch hinterher.Von den etwas mehr als zwei Dutzend Besuchern kristallisierten sich zwei Gruppen heraus: die Interessierten, die natürlich wissen wollten, was der Philosoph so Neues von sich gibt. Darunter insbesondere sechs Vertreter von fünf Fraktionen des Stadtrates. Bei ihnen hatte ein Besucher am Ende im Gespräch mit der SZ den Eindruck, dass sie nur da gewesen waren, um zu wissen, was er namentlich über sie vom Stapel gelassen habe. "Das können Sie daran sehen, das man viel aus Anstand gegrinst hat", meinte ein fünfzigjähriger Rohrbacher. Und dann war da die andere Gruppe. "Das ist kein Kabarett. Köhl will wohl aus persönlichen Gründen abrechnen", meinte eine Frau aus Rentrisch. Köhl polarisiert wie bereits bei der ersten Auflage kurz vor der OB-Wahl mit "Wahllos druff". Was sich auch daran erkennen lässt, dass keiner der Interviewten seinen Namen in der Zeitung lesen will. Man hätte es schon zu Beginn ahnen können, als er Altmeister Hildebrandt als Beispiel nahm und sich in der Kunst des Publikumsbeschimpfens versuchte. Dies zog sich wie ein roter Faden durchs Programm. Die vom Gitarristen Andreas Usner, der den Abend auf der Gitarre begleitete, angekündigte "Pointenschlagmaschine Köhl", vermisste man indes vergebens.
Harald Köhl ist eigentlich gegen alle: Gegen OB Jung, weil der ihn nicht mehr grüßt, gegen die "Boy-Group" der FDP, gegen die böse SZ, weil diese den Kulturteil durch Todesanzeigen ersetzen und seine Leserbriefe nicht drucken würde und gegen den Ex-OB-Kandidaten Sven Meier. Ja, wieso eigentlich? Das wird nur bedingt klar. Ok, er sei zu ruhig. Und weiter? Dafür grüße ihn der Meier immer noch. Der künftige Oberbürgermeister Hans Wagner kommt gut weg. Und das nur, so Köhl, weil er noch nichts Konkretes gesagt hat. Dabei hielt Köhl Rohrbach für einen Angelsportverein und einen Umsteigebahnhof mit DDR-Charme.
Lob hat er hingegen für die Revoluzzer der SPD im Umgang mit ihrer bisherigen Führung. Nicht ohne einen Seitenhieb auf Thomas Berrang abzugeben. Respekt hat er für das Verhalten von Markus Gestier (CDU). Im Märchen "Damals in der Ingobertusstadt" kommt dies zum Ausdruck. Er polarisiert. Stimmt. Doch Kabarett zeigt auch Alternativen auf. Mahnt. Weist auf Gefahren hin. Das kam nicht ausreichend vor. Und wenn, dann sehr kurz. Von seinen Auszügen aus seinem Roman "Mein Freund M. E", weniger bekannten Gedichten und Vorträgen beispielsweise von Tucholsky hingegen hätte man sich dafür mehr gewünscht. Darin liegt Köhls große Stärke.