Glockenspiel Der Klang einer halben Tonne Metall

St. Ingbert · Seit 2007 hängt das Glockenspiel im Turm der Alten Kirche. Die 23 Bronzeglocken gehören mittlerweile zum städtischen Klangbild und haben derzeit ein Repertoire von mehr als 100 Melodien.

 Die meisten Melodien des Glockenspiels wurden per Keyboard eingespielt. Markus Schaubel (links)  Christian von Blohn, wie die Töne an die Glocken kommen.

Die meisten Melodien des Glockenspiels wurden per Keyboard eingespielt. Markus Schaubel (links) Christian von Blohn, wie die Töne an die Glocken kommen.

Wer in St. Ingbert wohnt wird sich wohl bereits daran gewöhnt und „eingehört“ haben, Besucher sind erfreut und lauschen den unterschiedlichen Melodien. Die Rede ist vom Glockenspiel der Alten Kirche, aus deren Turm je nach Jahreszeit und liturgischem Kalender die unterschiedlichsten Lieder „angeläutet“ werden. Seit zwölf Jahren gehören diese harmonischen Töne, die aus dem Turm der Engelbertskirche kommen, zum Klangbild der Stadt. 50 Melodien wie „Tochter Zion“, „Im schönsten Wiesengrunde“ ein Menuett von Bach, „Jesus bleibet meine Freude“, „Amazing Grace“, Weißt du wieviel Sternlein stehen“ oder Lieder zum Advent kann das Glockenspiel zur Freude der Passanten in der Fußgängerzone spielen.

Eine Melodie wird aber häufiger gespielt als die anderen – der Steigermarsch. Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass St. Ingberter dieses Lied, das 40 Sekunden nach dem Glockenschlag um 12 Uhr einsetzt, mitsummen oder das „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“ sogar mitsingen. Diese Melodie ist eine Erinnerung an die Vergangenheit St. Ingberts als Bergbaustandort.

 Das Glockenspiel mit den 23 Glöckchen, die in der Laterne des Kirchturms, also ganz oben und über den eigentlichen Glocken hängen, gibt es erst seit 2007. Der evangelische Pfarrer Theo Herzer hatte die Idee dazu, denn der St. Ingberter hatte in Grünstadt, wo er einige Zeit wirkte, ein ebensolches Glockenspiel initiiert. In seiner Heimatstadt stiftete der Rotary-Club, in dem Herzer in eben jenem Jahr, als die Glocken gesegnet wurden, die Präsidentschaft übernahm, das Geld zur Anschaffung der Bronzeglocken – insgesamt 45 000 Euro. Der Heimat- und Verkehrsverein unterstützte den Club. Insgesamt wiegen die schweren Glocken für die leisen Töne 490 Kilogramm.

Eine niederländische Firma baute sie ein. Für die Mitarbeiter eine enge Sache, denn die letzten Meter bis in die Laterne, wo das Glockenspiel auf zwei Metallringen angebracht wurde, sind nur über eine enge Luke zu erreichen. Ende Juni 2007, nachdem die Glocken zuvor in der Kirche für die Bevölkerung zu besichtigen waren, wurde das Glockenspiel vom Leiter des bischöflichen Bauamtes, Domkapitular Peter Schappert, gesegnet. Initiator Herzer erhoffte sich von den zusätzlichen Tönen aus dem Turm der barocken Kirche, Baujahr 1755, dass sie zur „kulturellen und emotionalen Aufwertung“ des Stadtbildes beitragen mögen. Der damalige Pfarrer war sehr angetan, als er die Glocken zum ersten Mal hörte. Sie klängen „wunderbar rein“, würden den Alltag unterbrechen und aufhorchen lassen, sagte Arno Vogt über die Neuerung im Turm.

Am Anfang spielten die Glocken täglich um 11, 15 und 17 Uhr, samstags zusätzlich um 10 und um 12 Uhr. Bereits nach Ostern 2008 wurden die Melodien geändert und das Glockenspiel war häufiger zu hören. Heute gibt es übers Jahr verteilt 50 verschiedene Melodien. Zum letzten Mal wurde das Repertoire am Pfingstsonntag geändert.

Bis zum 31. Juli werden derzeit folgende Stücke angespielt: Um 10 Uhr als erstes „Lobet und preiset“, samstags um 11 Uhr „Im Frühtau zu Berge“, 12 Uhr der angespielte Steigermarsch und dann „Nun danket alle Gott“, 15 Uhr „Arie des Papageno“ aus Mozarts Zauberflöte, 17 Uhr „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und um 21 Uhr „Kein schöner Land“. Wurden anfänglich nur klassische Lieder, Volkslieder und kirchliche Choräle gespielt, klingt vom 1. August bis 30. September aber auch „Morning has broken“ vom Kirchturm herunter.

Dabei wird der Ton nicht durch das Schwingen der Glocken erzeugt, sondern sie stehen fest, und nur der Klöppel im Inneren gibt den Ton an. Die Melodien werden von einem Keyboard im Kircheninneren aus eingespielt und abgespeichert. Früher haben das Markus Schaubel und Matthias Golla übernommen, aber gerade ließ sich Christan von Blohn von Schaubel in die Geheimnisse des Glockenspiels einweihen. In dieser Woche trafen sich Schaubel und von Blohn, und während des Übens erklangen deshalb außer der Reihe andere Töne aus vom Turm. Von Blohn war angetan von der einfach zu bedienenden Technik. Aktuell sind über 100 Lieder gespeichert. 2015 gab es sogar eine Art „Wunschkonzert“, bei dem man für einen kleinen Obolus Lieder seiner Wahl einspielen lassen konnte. So kam etwas Geld für die jährliche Wartung des Glockenspiels, die knapp 1000 Euro kostet, in die Kasse. Auch Hochzeitspaare dürfen sich für ihren Ein- oder Auszug eine Melodie aussuchen.

 Aus 23 Glocken besteht das Glockenspiel, das seit 2007 in der Laterne des Turmes der Engelsbertskirche hängt.

Aus 23 Glocken besteht das Glockenspiel, das seit 2007 in der Laterne des Turmes der Engelsbertskirche hängt.

Foto: Cornelia Jung

„Einstimmige Melodien gehen alle, oder auch eine einfache Zweistimmigkeit“, so Schaubel. Wird es schneller oder mehrstimmig, kommen die Glöckchen an ihre Grenzen. „Die Glocken haben eine innere Harmonie. In einem Ton ist immer eine kleine Terz drin. Spiele ich zu schnelle Dur-Melodien, kann es deshalb durch Überlagerung zu einem Missklang kommen“, sagt der Organist. Demnächst werden noch einige Melodien hinzukommen. Auf Wunsch der Pfarrei Heiliger Ingobertus soll beispielsweise künftig freitags um 15 Uhr „O Haupt voll Blut und Wunden“ erklingen, ein Passionslied, das an die Todesstunde Christi erinnern soll.

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