Geschichte der Saarpfalz im Blick

Homburg/Parr. "Nicht für alle ist im Omnibus Platz vorhanden. Bevorzugt werden Kranke, alte Menschen, Frauen mit Kleinkindern untergebracht. Wer nicht unterkommt, wird auf einen Lkw verfrachtet. Auf der Ladefläche stehen die Menschen aufrecht in enger Tuchfühlung, die sich in den Kurven zur Seite neigen wie Getreide im Wind

Homburg/Parr. "Nicht für alle ist im Omnibus Platz vorhanden. Bevorzugt werden Kranke, alte Menschen, Frauen mit Kleinkindern untergebracht. Wer nicht unterkommt, wird auf einen Lkw verfrachtet. Auf der Ladefläche stehen die Menschen aufrecht in enger Tuchfühlung, die sich in den Kurven zur Seite neigen wie Getreide im Wind. Ich schmiege mich an meine Mutter, die ihrerseits ängstlich meinen sechsjährigen Bruder festzuhalten versucht. In der ersten Linkskurve in Richtung Seyweiler ein Aufschrei: Die dicht gedrängt stehenden Menschen suchen aneinander Halt - Gott sei dank, es ist niemand heruntergefallen." Szenen, wie sie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges vor nunmehr 70 Jahren im gesamten Bliesgau an der Tagesordnung waren, beschreibt so aus eigener Erinnerung Karl Lillig aus Limbach.In der jetzt erschienen, neuesten Ausgabe der "Saarpfalz"-Zeitschrift lässt er aus seiner persönlichen Perspektive Revue passieren, wie die Räumung der "Parr" im Rahmen der "Evakuierung der Roten Zone" von Statten ging. 1929 in Medelsheim geboren, hat Lillig die Hektik und das Chaos dieser ersten Kriegstage am eigenen Leib ebenso miterlebt wie den Abtransport der Bevölkerung ins "Bergungsgebiet", kleine Dörfer der Fränkischen Schweiz nämlich. Mit dem gleichen historischen Hintergrund, aber unter anderen Vorzeichen befasst sich Gerd Imbsweiler aus Limbach in den neuen "Blättern für Geschichte und Volkskunde". Der pensionierte Lehrer skizziert die Biographie des Wehrmachtssoldaten Otto Oberkircher, der sich im August 1941 17-jährig zusammen mit zwei Freunden freiwillig in den Kriegsdienst gemeldet hatte. Kurze Zeit später wurde der Limbacher Jugendliche nordwestlich von Moskau schwer verletzt, und nur knapp und mit viel Glück überlebte Oberkircher - im Gegensatz zu seinen beiden Freunden. Wie der heute 86-Jährige die unsagbaren Kriegsgräuel persönlich erlebt hat, schildert der Verfasser. Nachkriegs- und Zeitgeschichte ist hingegen das Thema von Friedrich Müller aus Rohrbach, der sich der Entstehung und Sanierung des "ursprünglichen Johannesbrunnens" in seinem Heimatdorf angenommen hat. Dabei arbeitet er heraus, dass der Brunnen "im Eck, einer alten Wohngegend Rohrbachs", in den 1950er-Jahren eine besondere Rolle im Spannungsfeld der Politik gespielt hat - er wurde zum Objekt heftigen Parteiengezeters, in dem auch Pfarrer und Bürgermeister den legendären Romanfiguren Don Camillo und Peppone in fast nichts nachstanden. Die Verrichtung des abendlichen Polizeigeläutes, die Aufsicht über die Straßenrinnen und Ortsbrunnen sowie deren wöchentlicher Putz, die Aufnahme von Arrestanten und deren Bewachung, das waren einige der Aufgaben, die ein Polizeidiener im ausgehenden 19. Jahrhundert in Medelsheim zu erledigen hatte. Anhand von Unterlagen aus der eigenen Familie beleuchtet der langjährige Ortsvorsteher Rainer Lagall dieses typisch dörfliche Kapitel aus pfälzisch-bayerischen Zeiten. Gleich zweimal kommt schließlich noch Blieskastel in der neuen Saarpfalz vor. Stadtarchivar Kurt Legrum berichtet, wie 1808 die in der Stadt ansässigen Juden in der Herrschaftszeit Napoleons bürgerliche Namen annehmen mussten. So wurde, um die Führung des Standesamtes zu erleichtern, aus "Reitz, Tochter von Marx Oppenheimer, geb. 12. 12. 1799" schlicht "Therese Oppenheimer". Schließlich unternimmt der frühere Kunsterzieher Benno Breyer (Ormesheim) den Versuch, die so reichhaltig ornamentierte Westfassade der Schlosskirche zu interpretieren, deren Fülle an Skulpturen und Symbolen nach wie vor unentschlüsselt ist.

Auf einen BlickSaarpfalz 3/2009: 64 Seiten, 26 Abbildungen, 7 Beiträge, eine Buchbesprechung, Kalendarium "historischer" Vorträge im vierten Quartal 2009. Schriftleiter: Kreisdenkmalpfleger Dr. Bernhard Becker unter Mitwirkung einer vierköpfigen Fachredaktion. Bezug: Amt für Heimatpflege und Denkmalschutz des Saarpfalz-Kreises, Zimmer 417, Landratsamt Homburg, Tel. (06841) 104 417, E-Mail: traudel-neumueller@saarpfalz-kreis.de sowie im Buchhandel und bei den Kultur- und Verkehrsämtern der Städte und Gemeinden. Preis: 3,25 Euro. bam

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