Gegen das Vergessen

St Ingbert · 35 Stolpersteine, die in St. Ingbert bereits in den Boden eingelassen wurden, erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus. Schüler näherten sich dem Thema auf vielfältige Weise. Mit der Großnichte und der Enkelin des verfolgten Hasseler Bürgermeisters Adolf Lambertz wurde Geschichte greifbar.

 Inge Bresson und Brigitte Zwerger (von links), Nachfahren von Adolf Lambertz, schauten sich erstmal den Stolperstein in der Sebastianstraße 12 in Hassel an, der zu seinem Gedenken eingelassen wurde. Foto: Cornelia Jung

Inge Bresson und Brigitte Zwerger (von links), Nachfahren von Adolf Lambertz, schauten sich erstmal den Stolperstein in der Sebastianstraße 12 in Hassel an, der zu seinem Gedenken eingelassen wurde. Foto: Cornelia Jung

Foto: Cornelia Jung

Vor zwei Jahren wurden die ersten Stolpersteine in St. Ingbert verlegt. Der Künstler Gunter Demnig will mit diesem europäischen Kunstprojekt der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Die Steine mit den Namen werden an Stellen verlegt, die mit dem Leben des jeweiligen Opfers verwoben sind. In St. Ingbert gibt es mittlerweile 35, davon 34 in St. Ingbert-Mitte. Jeder Stein erzählt ein Schicksal.

Dem spürten St. Ingberter Gymnasiasten nach. Einige Neuntklässler des Leibniz-Gymnasiums beschäftigten sich während der Unesco-Projekttage - von den Stolpersteinen ausgehend - mit der Geschichte der Verfolgung im Dritten Reich, bezogen auf St. Ingbert . Schüler der 8. Klasse des Albertus-Magnus-Gymnasiums wiederum näherten sich diesem Thema literarisch und malerisch an. Nach der Vorlage "Die trostlose Straße" von Felix Nussbaum, der in Auschwitz starb, entstanden im Kunstunterricht Bilder, die die Situation eines Judenghettos zur damaligen Zeit illustrieren. Diese Arbeiten sind noch bis Freitag in der Kuppelhalle des Rathauses im Rahmen der Stolperstein-Ausstellung zu sehen.

Anhand eines Romans lernten die Schüler im Deutschunterricht die Situation einer jüdischen Familie kennen, die im Krieg fliehen musste. Durch das Erfahren dieses Schicksals waren die Schüler "nah am Geschehen dran", wie sie beim Besuch der Ausstellung erzählten.

Noch näher dran waren zwei Gäste, die Oberbürgermeister Hans Wagner im Rahmen der Schülerbegegnung am Dienstag im Rathaus begrüßte. Brigitte Zwerger aus Mannheim und Inge Bresson aus der Nähe von Metz sind Großnichte beziehungsweise Enkelin von Adolf Lambertz. Ihm zum Gedenken wurde im Juni in der Sebastianstraße in Hassel ein Stolperstein in den Fußweg eingelassen, denn dort war der Protestant jüdischer Abstammung eine zeitlang Bürgermeister.

"Adolf Lambertz hat überlebt, aber seine Geschwister nicht", so dessen Angehörige. "Meine Eltern mussten damals noch getrennt zur Tante in Metz fahren, einer hinten im Zug, der andere vorn. Wenn Hitler noch weiter gelebt hätte, hätten sie nicht heiraten können und ich wäre nicht da", erzählte Bresson. So wurde die Geschichte dieser Zeit für die Schüler einmal mehr greifbar.

Auch Heike Scholz, die Schulleiterin des AMG, zeigte sich sehr bewegt: "Schön, dass wir nun auch Gesichter mit der Geschichte verbinden können. Aber wie die Politik Auswirkungen auf einzelne Leben gehabt hat ist erschütternd." Der Oberbürgermeister begrüßte die Schulprojekte, weil sich gerade die Jüngeren mit dem Nationalsozialismus beschäftigten müssten, um zu verstehen, was damals passiert ist. "Hunger, Angst ums Leben, Flucht und Schrecken, so etwas darf nie wieder geschehen", sagte Hans Wagner .

Die beiden Nachfahren von Adolf Lambertz hatten sich seit fast 50 Jahren nicht mehr gesehen. Nun wollen sie in Kontakt bleiben und die Familiengeschichte aufarbeiten. Stadtarchivar Dieter Wirth, der den Hasseler Stolperstein initiierte und den die beiden Frauen aufsuchten, konnte schon Mosaiksteine dazu beitragen. Stephan Friedrich, Lehrer am AMG, wünschte sich, dass das Stadtarchiv bei solchen Recherchen die Schulen mit einbinden solle. Gegen das Vergessen.

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