Fliegender Wechsel im Stadtrat
St. Ingbert. Im Stadtrat St. Ingbert hat es schon zum Auftakt der neuen Legislaturperiode überraschende Wendungen gegeben. Markus Gestier zog nach dem Wahlergebnis alleine für die Unabhängigen Christdemokraten (UCD) in das Gremium ein. Die Linke bekam zwei Mandate vom Wähler zugesprochen. Tatsächlich verstärken jetzt Michael Trittelvitz (Familien-Partei) und Jürgen Karr (Linke) die UCD, während Doris Ducke-Sellen für die Linke alleine im Rat sitzt. Mit Ducke-Sellen und Gestier sprach (unabhängig voneinander) SZ-Redakteur Michael Beer.
Herr Gestier, Sie sind nach dem Wahlergebnis als einziger UCD-Mann in den Rat gewählt worden und bilden jetzt mit Michael Trittelvitz und Jürgen Karr eine Fraktion. Das wirkt wie ein Husarenstück. Überrascht Sie der plötzliche Fraktionsstatus?
Gestier: Es war insofern überraschend, dass sich Ratsmitglieder durch neue Entwicklungen in der Koalitionsfindung neu orientiert haben. Auf der anderen Seite ist es auch wieder nicht überraschend. Michael Trittelvitz und ich sind gemeinsam im Vorstand des Sportbundes gewesen. Wir sind beide seit Jahren in Vereinen verantwortlich tätig und diskutieren viel miteinander und sind fast immer gleicher Meinung. Auch Jürgen Karr kenne ich sehr sehr lange. Wir sind fast Nachbarn und haben auch viel über Politik gesprochen in der letzten Zeit. In ganz vielen Dingen übereinstimmend über Parteigrenzen hinweg.
Und es gibt keine Berührungsängste zwischen einem Christdemokraten und Jürgen Karr, der für die Linke angetreten war?
Gestier: Nein. Wir bekennen uns zu unabhängiger Politik für St. Ingbert. Wir lassen uns nicht von Parteifunktionären sagen, was wir zu tun haben. Entscheidend ist, was wir für St. Ingbert und für die Menschen in unserer Stadt wollen.
Wie beeinflusst der Fraktionsstatus die Ratsarbeit?
Gestier: Natürlich hat das praktische Konsequenzen. Wir können in den Ausschüssen mitarbeiten. Wir sind uns auch schon einig, wer wo seine Interessen hat. Es lässt sich besser in der Fraktion arbeiten.
Bedeutet das auch bessere Perspektiven für den politischen Verein UCD ?
Gestier: Auf jeden Fall ist das eine Stärkung. Wir sind jetzt gleichstark mit den Grünen vierte Kraft im Rat.
Aber wird denn der Wählerwille repräsentiert, wenn die UCD mehr Mandate hat, als ihr nach Wählerstimmen zustehen?
Gestier: Die Bürger wählen meiner Meinung nach auf kommunaler Ebene Personen. Sie wissen, wofür der Einzelne steht. Michael Trittelvitz etwa hat immer ganz klar gesagt, er will keine Koalition mit der CDU . Ich kann es nicht als problematisch betrachten, wenn die Mandatsträger ihrer Linie treu bleiben. Die gewählten Personen haben sich ja nicht verändert, höchstens die Parteiorder.
Frau Ducke-Sellen, Sie wollten im Rat mit zwei Mandaten als Fraktion starten, jetzt sind Sie Einzelkämpferin mit eingeschränkten Möglichkeiten. Wie fühlt sich das an?
Ducke-Sellen: Solange solche Wechsel in den politischen Gremien gesetzlich möglich sind, wird es sie immer geben. Die Linke hat im Kommunalwahlkampf klare Ziele formuliert, dafür werde ich mich einsetzen. Es gibt einiges zu tun, für emotionale Reflexionen bleibt da wenig Spielraum.
Wie kann sich ein Team so schnell entzweien?
Ducke-Sellen: Wir sind beide gewählt, konnten uns als Team im Stadtrat aber leider noch nicht bewähren. Herr Karr hat sich im Vorfeld anders entschieden. Ich bedauere dies sehr. Ich werde jedoch, wie von Ihnen als Einzelkämpferin benannt, engagiert politisch für die Linke weiterarbeiten. Ich hoffe, der Stadtrat wird in Zukunft sachorientiert und konstruktiv kooperieren, es gibt viele gemeinsame Themen für die Zukunft St. Ingberts auch außerhalb der Fraktionen.
Was bedeutet die jetzige Situation für die Linke in St. Ingbert? Im vorangegangenen Stadtrat hatte die Fraktion sogar mit vier Köpfen begonnen.
Ducke-Sellen: Die Linke in St. Ingbert ist ja auch durch Walter Becker im Ortsrat Mitte vertreten. Er setzt sich ebenfalls sehr engagiert für die kommunalpolitischen Ziele der Partei ein. Die Linke befindet sich nach den Turbulenzen der Anfangsphase in einer Umstrukturierung und personellen Neuorientierung. Wir sind auf gutem Weg in die Zukunft.