Familienalltag als Therapie

Rentrisch/Neunkirchen. "Es geht mir wieder gut", sagt Ulrike Reuter (59) und lächelt, "dank Karin, die meine Gastmutter, Freundin und Therapie ist." Karin Jung (54) lächelt auch. "Wir schaffen das zusammen, gell?", fragt sie und meint auch Soawaluk Rebold (30), die bestätigt: "Du bist ein guter Chef

 Karin Jung (Bildmitte) wird von ihren Gästen Soawaluk Rebold (Zweite von links) und Ulrike Reuter (Zweite von rechts) ein frisch gebrühter Kaffee am Pool serviert, links Daniela Seyffer, rechts Birgit Dabrowski, beide Caritasverband Neunkirchen. Foto: Jörg Jacobi-Vogelgesang

Karin Jung (Bildmitte) wird von ihren Gästen Soawaluk Rebold (Zweite von links) und Ulrike Reuter (Zweite von rechts) ein frisch gebrühter Kaffee am Pool serviert, links Daniela Seyffer, rechts Birgit Dabrowski, beide Caritasverband Neunkirchen. Foto: Jörg Jacobi-Vogelgesang

Rentrisch/Neunkirchen. "Es geht mir wieder gut", sagt Ulrike Reuter (59) und lächelt, "dank Karin, die meine Gastmutter, Freundin und Therapie ist." Karin Jung (54) lächelt auch. "Wir schaffen das zusammen, gell?", fragt sie und meint auch Soawaluk Rebold (30), die bestätigt: "Du bist ein guter Chef." Die beiden Frauen, die bei Familie Jung in Rentrisch zur Untermiete leben, bekommen Hilfe durch Familienalltag. Sie sind Teil des Projekts "Begleitetes Wohnen für psychisch kranke Menschen in Gastfamilien" des Caritasverbands Neunkirchen. Im Projektgebiet werden derzeit zwölf Gäste begleitet - neue Gastfamilien werden jetzt gesucht.Daniela Seyffer und Birgit Dabrowski von der Caritas sind in Rentrisch zu Besuch. Sie betreuen das Projekt in Neunkirchen und Saar-Pfalz. "Das Ziel ist, chronisch psychisch Kranken in einem familiären Rahmen ein normales Leben und wieder mehr Lebensqualität zu ermöglichen", erklärt Seyffer. "Wir stehen ihnen dabei zur Seite."

Hilfe brauchen Gäste wie Ulrike Reuter bei der Rückkehr in die Normalität. "Ich habe mein Leben nicht mehr auf die Reihe gekriegt. Hatte Panikattacken, Angst, Depression, die Familie ging kaputt. Das war eine schlimme Zeit." In einer Klinik wurde sie auf das Gastfamilien-Projekt aufmerksam. "Ich wollte wieder gesund werden und dabei jemanden haben, der aufpasst und bei mir ist. Ich habe Karin gefunden." Und sie habe ihr Selbstbewusstsein zurück. "Jetzt geht es mir wieder gut. Ich habe hier einen Garten, ich gehe arbeiten beim Neunkircher Bücherberg, ich habe wieder einen konstruktiven Tagesablauf." Genau so soll es laufen. Die Gastfamilie steht als Therapieform zwischen Betreuung in einer Einrichtung und selbstständigem Leben in der eigenen Wohnung. Auch Soawaluk Rebold, gebürtig aus Thailand, tun die neuen Aufgaben und die neue Struktur in der Familie gut. "Ich war krank, hatte immer Angst, jetzt ist es besser."

Sich für das Projekt zu entscheiden, koste anfangs Mut und Überwindung, wissen die Beteiligten - auf beiden Seiten. Für alle ist es eine neue Situation, und bei potenziellen Gastfamilien "schwingt vielleicht Angst mit vor dem Begriff psychisch krank", mutmaßt Seyffer. "Aber dazu besteht kein Grund. Es geht hier nicht um akut Kranke, sondern um Personen, bei denen die Unterbringung realistisch ist."

Derzeit gibt es drei potenzielle Gäste, aber es fehlen Familien, ergänzt Dabrowski. "Wir wollen einen Pool aufbauen, damit wir eine Auswahl haben. Denn eine Vermittlung funktioniert nicht einfach so." Sympathie und Vertrauen müssen nach einer Kennenlern-Phase entstanden sein. Die Vermittlung sei schwieriger geworden, heißt es im Caritas-Jahresbericht 2011. Dabrowski: "Das liegt aber eher daran, dass das Projekt nicht so bekannt ist, um den steigenden Bedarf an Plätzen zu decken." Wer Gäste aufnehmen wolle, müsse ausreichend Wohnraum mit einbringen, Zeit und die Bereitschaft, mit einem psychisch Kranken den Alltag zu gestalten. "Ich freue mich über jeden kleinen Fortschritt", sagt Karin Jung. Mit ihren Gästen wird sie, wenn alles weiter so gut klappt, wohl für Jahre zusammenleben. Es kann dauern, bis das große Ziel Selbstständigkeit erreicht ist. Aber wichtig sind auch die Etappen, weiß Ulrike Reuter: "Selbst ein Weg von tausend Schritten beginnt mit einem Schritt."

Auf einen Blick

Das Projekt "Begleitetes Wohnen für psychisch Kranke in Gastfamilien" des Caritasverbandes Neunkirchen (Psychosozialer Dienst) läuft seit 1997 in den Landkreisen Neunkirchen, Saarpfalz und St. Wendel. An einer Vermittlung interessierte Gäste und Gastfamilien (auch Lebensgemeinschaften oder Alleinstehende) können sich beim Caritasverband melden.

Eine finanzielle Vergütung für Familien ist Teil des Projekts, das aus Mitteln der Caritas und des Landesamtes für Soziales bezahlt wird. Gastfamilien bekommen monatlich 400 Euro Betreuungsgeld, dazu kommen Verpflegungsgeld (195,77 Euro) und eine Mietpauschale (254,40 Euro), die die Gäste aus ihren Einkünften bestreiten.

Kontakt: Caritasverband, Tel. (0 68 21) 92 09 70.kes

caritas-neunkirchen.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort