Episoden der Industriegeschichte
St. Ingbert · Eine neue Ausgabe der Saarpfalz-Blätter für Geschichte und Volkskunde deckt Erstaunliches auf. Schon im 19. Jahrhundert waren Lärm und Umweltbelastungen Themen, die die Menschen beschäftigten.
Dampfkessel fertigte die Fabrik "Poensgen & Pfahler" in St. Ingbert, aber der ohrenbetäubende Lärm, der von der Produktion dieser Druckbehälter ausging, sorgte in der Stadt für massive Empörung. Dass Bürgerproteste gegen unzumutbare Umweltbelastungen kein Phänomen der Jetztzeit sind, sondern schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts an einem ausgesprochenen Industriestandort laut wurden, zeichnet Lehrer Friedrich Müller in der neuen Ausgabe der "Saarpfalz" nach. Die Geschichte des später nach Rohrbach umgesiedelten Betriebs lässt der Heimatforscher in den "Blättern für Geschichte und Volkskunde " minutiös Revue passieren.
Die regionalhistorische Zeitschrift ist jetzt in ihrer dritten Nummer für das laufende Jahr erschienen. Schon im Vorfeld des bis dato in "Goffontaine" (ab 1960: Schafbrücke) ansässigen Unternehmens hatte es Bedenken seitens der Anwohner gegen die Niederlassung auf der St. Ingberter "Mess" gegeben - eben weil eine unerträgliche Geräuschkulisse befürchtet wurde. Sämtliche Argumente wurden wie üblich vom Tisch gewischt, südlich der Bahnstrecke, zwischen der heutigen Rentamt-/Wittemann- und Dr.-Wolfgang-Krämer-Straße sowie dem Finanzamt nahm die "Kesselschmidd" 1893 ihre Arbeit auf. Die Anwohner mussten aber alsbald feststellen, dass keine der Zusagen des Unternehmens zur Lärmminderung eingehalten wurde, insbesondere der vom Zusammennieten der Kessel ausgehende Krach wurde als unerträglich empfunden. Die Klagen der "Protestpartei" mit dem städtischen Einnehmer Johannes Alt an der Spitze wurden von Bürgermeister und Polizeispitze bestätigt.
Einem weiteren Kapitel der Industriegeschichte widmet sich Albert H. V. Kraus, nämlich dem Denkmal des "Hüttenbarons" Carl Ferdinand von Stumm in Neunkirchen. Das Standbild des Stahlmagnaten wurde Ende 1902 und damit knapp anderthalb Jahre nach seinem Tod errichtet.
Viel weiter zurück, ins Mittelalter und die frühe Neuzeit, blickt Ortrud Kleis in ihrem Aufsatz über "Ripplingen, Burg und Dorf, zerstört, verwüstet und vergessen". Der Ort gehörte zum heute lothringischen Welferdingen an der Saar, das auch einst der Grafschaft Blieskastel untertan war. Kleis berichtet, wie sich Burgvogt Graf Jakob von Eberstein-Welferdingen in Ripplingen "eine Burg ohne Erlaubnis des Grundherrn baute, und zwar auf Land, das ihm nicht gehörte, mit Holz, das er stahl, und mit Untertanen, die er knebeln und foltern ließ". Die Autorin zitiert dazu ausführlich aus den 1932 erschienenen Aufzeichnungen von Johann Philipp Kirch zur Historie von Welferdingen.
Um edles Geschirr auf Schloss Karlsberg dreht sich der Artikel von Jutta Schwan. Anhand der Listen über alle Schäden und Verluste , die nach Zerstörung der Landresidenz durch französische Revolutionstruppen erstellt wurden, erläutert sie die Tischkultur am Hof des Zweibrücker Herzogs. So gehörten zur Ausstattung beispielsweise silberne Vogelspieße, auf die Singvögel wie Lerchen oder Finken, aber auch Krebse gesteckt wurden, um diese im Feuer gebraten, mit Butter begossen und mit Brotkrumen bestreut auf großen Silberplatten zum Essen zu reichen. Scherbenfunde, die auf dem Terrain des einstigen Schlosses gemacht wurden, vergleicht die Kunsthistorikerin mit besagten Inventarlisten.
Zum Thema:
Auf einen Blick Saarpfalz-Blätter für Geschichte und Volkskunde - Ausgabe 3/2016, 64 Seiten, vier Beiträge, eine Buchbesprechung, 15 Abbildungen; Kalendarium "historischer Veranstaltungen im vierten Quartal 2016. Bezug: Amt für Heimat- und Denkmalpflege des Saarpfalz-Kreises, Landratsamt Homburg, Tel. (0 68 41) 1 04 84 09, E-Mail: bernhard.becker@saarpfalz-kreis.de sowie im Buchhandel und bei den Kultur- und Verkehrsämtern der Städte und Gemeinden. Preis: 3,25 Euro. red