Ein Finanzierungsmodell wird hinterfragt

St Ingbert · „Public Private Partnership – Fluch oder Segen für klamme Kommunen?“ war in St. Ingbert eines der Themen beim kommunalpolitischen Forum des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ein Paradebeispiel für solche Finanzierung-Modelle war die Baumwollspinnerei.

 Bettina Altesleben, Geschäftsführerin der DGB-Region Saar, Rainer Tobae, DGB-Ortsverbandsvorsitzender St. Ingberts, Werner Rügemer, Publizist und Lehrbeauftragter der Uni Köln, Moderator Thomas Schulz, Pressesprecher des DGB Saar, und Bernd Schumann , Personalratsvorsitzender der Stadt Saarbrücken (alle im Hintergrund von links), waren die Referenten beim kommunalpolitischen Forum im Pumpenhaus, zu dem der DGB eingeladen hatte. Foto: Cornelia Jung

Bettina Altesleben, Geschäftsführerin der DGB-Region Saar, Rainer Tobae, DGB-Ortsverbandsvorsitzender St. Ingberts, Werner Rügemer, Publizist und Lehrbeauftragter der Uni Köln, Moderator Thomas Schulz, Pressesprecher des DGB Saar, und Bernd Schumann , Personalratsvorsitzender der Stadt Saarbrücken (alle im Hintergrund von links), waren die Referenten beim kommunalpolitischen Forum im Pumpenhaus, zu dem der DGB eingeladen hatte. Foto: Cornelia Jung

Foto: Cornelia Jung

. Vor einigen Tagen lud der Bezirk Rheinland-Pfalz/ Saarland des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu einem kommunalpolitischen Forum mit dem Titel "Kommunen in Not!" und "Public Private Partnership (PPP) - Fluch oder Segen für klamme Kommunen ?" ein. Bettina Altesleben, Geschäftsführerin der DGB-Region Saar, erklärte, warum gerade jetzt vor den Kommunalwahlen solche Foren wichtig sind: "Wir wollen damit was lostreten und eine Öffentlichkeit für unsere Themen herstellen. Dafür laden wir uns Referenten ein, die man nicht jeden Tag im Land hat."

Einer davon war Werner Rügemer, Publizist und Lehrbeauftragter der Uni Köln, zu dessen Spezialgebieten Privatisierung, internationale Finanzmärkte und die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft gehören. Er ist ein begehrter Gesprächspartner, wenn es beispielsweise um Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP: heute PPP) geht. Bei Wikipedia findet sich zu PPP Folgendes: "Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privatrechtlich organisierten Unternehmen (Bauwirtschaft, Kreditinstitute, Privatgefängnisse), die für bestimmte Aufgaben die notwendigen Ressourcen (Know-how, Kapital und Personal) in ein gemeinsames Projekt einbringt und die Aufgaben entsprechend den besonderen Fähigkeiten der Partner verteilt. Grundsätzlich wird hierfür meist eine Zweckgesellschaft gegründet, an der die öffentliche Hand und die private Wirtschaft jeweils einen etwa gleich großen Anteil haben."

An sich eine feine Sache, sollte man denken. Doch nach Rügemers Impulsreferat wurde man nachdenklich. Die öffentliche Hand unterwerfe sich privaten Interessen, PPP ziehe eine Spur des Scheiterns nach sich, private Investoren gingen pleite oder stellen Nachforderungen - das seien nur einige der Auswirkungen, wenn sich Kommunen mit Privaten "einließen". Durch eine in der Regel 30-jährige Vertragslaufzeit zeigten sich die Schwächen nicht direkt und es werde verschleiert, dass Bund, Land oder Städte mit der Schuldenlast zum Schluss draufzahlen müssten. Rügemer sprach von 250 bundesweit bekannten PPP-Projekten und führte einige in einer "unvollständigen Sündenliste" an. Darunter Autobahnen oder Schulen. "Obwohl die Europäische Kommission an PPP festhält, kann ich niemanden dazu raten, sowas zu machen." Wasser auf die Mühlen derjenigen, die sich gegen die Alte Baumwollspinnerei als St. Ingberter PPP-Projekt aussprachen. Auch der Personalratsvorsitzende der Stadt Saarbrücken, Bernd Schumann, hat mit solch einem Projekt, dem Calypso-Bad, schon seine Erfahrungen gemacht. Doch er widmete sich in seinem Vortrag der Schuldenbremse, die vor allem die Bürger und kommunalen Beschäftigten trifft und stellte die Frage , wie eine Gegenwehr gelingen könnte.

Er schilderte die "nicht hausgemachte" finanzielle Situation der Kommunen im Saarland als dramatisch. Es gebe kein Ausgaben- sondern ein Einnahmeproblem, dessen Grund aus seiner Sicht die Wirtschafts- und Sozialstruktur des Landes sei. Folgen seien unter anderem das Herabsetzen von Standards, die Verschlankung der Verwaltung und Arbeitsverdichtung, was trotzdem keine Besserung bewirke. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit konfliktfähiger Gewerkschaften.

Mit Spannung wurde der Vortrag "Wie betroffen ist St. Ingbert? - Alternativen vor Ort" von Rainer Tobae erwartet, dem DGB-Ortsverbandsvorsitzenden von St. Ingbert. Nach seiner Einschätzung war der "Geburtsfehler bei der Baumwollspinnerei, dass es unter dem Siegel der Geheimhaltung lief", da Verträge nur in begrenzter Zeit eingesehen werden konnten. Er wünschte sich bei solchen Projekten mehr Transparenz, damit sich jeder Bürger eine Meinung bilden könne. Er führte 1300 Arbeitslose "ins Feld" und kritisierte die Ansiedlungspolitik einer großen Bekleidungskette in der Stadt. Seine Angst sei, dass für die Zukunftsbewältigung der Stadt die Mittel fehlten. Bei der Diskussion meldete sich auch OB Hans Wagner zu Wort. Er kritisierte, dass die Stadt vom Investor der Spinnerei keinerlei Sicherheiten bekam und in der laufenden Vermittlung ein "investorenfreundlicher Mediator" am Werk sei. Sein Ziel sei eine Vertragserfüllungsbürgschaft. Die anwesenden Stadtratsmitglieder wollen bei der Baumwollspinnerei kein Wagnis eingehen, zumal sie sich durch die Ausführungen von Rügemer bestätigt sahen. "Jetzt haben wir den Salat", so Mathilde Thiel (SPD) zum Abschluss der Diskussion, "wir sollten schauen, dass es zu einem guten Ende für St. Ingbert kommt und zu keinem Schaden für die Bürger."

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