Dieser Mann kennt keine Tabus

St. Ingbert. "Provinz ist da, wo man Lehrer zu den Intellektuellen zählt." Starker Tobak, den man am Freitagabend im Eventhaus Alte Schmelz zu hören bekam. Bei der Auftaktveranstaltung der Kleinkunstreihe "A la Minute" hatte das städtische Kulturamt den Ort gewechselt

St. Ingbert. "Provinz ist da, wo man Lehrer zu den Intellektuellen zählt." Starker Tobak, den man am Freitagabend im Eventhaus Alte Schmelz zu hören bekam. Bei der Auftaktveranstaltung der Kleinkunstreihe "A la Minute" hatte das städtische Kulturamt den Ort gewechselt. Alle Auftritte dieser Reihe werden nun nicht mehr in der Stadthalle sein, sondern in industrie-historischer Kulisse.Kabarettist Andreas Rebers, bekannt für seine scharfzüngigen Einblicke ins Zwischenmenschliche, hatte seine Bühnenausrüstung vor gutbesuchten Reihen aufgebaut. Direkt zu Beginn war klar: Dieser Mann kennt keine Tabus. Wenn er an heikle Themen herangeht, wird nichts beschönigt oder, weil's ja politisch korrekt zugehen sollte, weggelassen. Seine Akkordeonvariationen entstammten den Soundtracks bulgarischer Pornos. Sagt Reverend Rebers, der geistliche Jungschlesier. Okay.

Der 53-Jährige stammt eigentlich aus Niedersachsen und wohnt in München. Sei's drum. Dafür sei er ja auch links und reich. Das gäbe es nicht oft. Nee, meistens sei es ja anders rum. Damit das so bleibt, habe er Berater McKinsey engagiert. Schließlich gälte es, seine Botschaft als Geistlicher zu optimieren. Und damit das klappt, hatte er neue Arbeiterlieder in der Tradition von Brecht und Bohlen dabei. Das sei angesichts von Sendungen wie "Priester sucht Ministrant" wichtig für die Ein-Euro-Christen. Ja, die Schlesier wären ja wie Palästinenser, nur eben nicht so gut bewaffnet. Vertriebener Rebers hat ja auch CD's, die er aber nicht vertreibt. Der Wortwitz ließ am Freitag mehr als grüßen.

Subversiver Sarkasmus, gepaart mit tiefsinniger Ironie, das macht den Gewinner des Deutschen Kabarettpreises 2008 aus. Doch der Mann hat es in sich: Liest er doch heimlich das Tagebuch seiner alleinerziehenden Öko-Nachbarin, korrigiert darin die Fehler mit Rotstift und zeigt deren Sohn, während sie im Krankenhaus ist, das Leben jenseits des Öko-Äquators. Sendungsbewußtsein à la VHS? Ja, jedoch auf die versteckt-charmante Tour. Man fühlt sich nicht belehrt, vielmehr auf Dinge, die einfach so hingenommen werden, provokant hingewiesen. Ja, Sozialist sei ja auch kein Beruf und in der Hölle gäbe es keine Webcams. Ach, das wussten Sie schon? Gut, dann Neues über die Auswanderer. Also, die Leute, die man im Ausland nicht braucht und die hier keiner vermisst.

Rebers ohne Musik? Geht gar nicht. Ob mit Akkordeon, welches er studierte, oder am Keyboard, welches er den Abend über kunstvoll quält: "Amoklauf bei Tengelmann", stellenweise mit Hitler-Rhetorik, hat was. Ohja. Oder Politik: Brüderle und Merkel - also Schweinchen dick und Schweinchen schlau - hätten es in sich. Das sei wie bei Beck und Münte, also Mecki und Lurchi, die nun für Salamander arbeiteten. Und zum Schluss: "Gehen Sie nie unbewaffnet in 'ne Bank, weil das Personal immer auf der Flucht ist." Und Vorsicht vor der Kopfpauschale. Das klingt doch so was von nach französischer Revolution.

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