Kolumne Die Qual bei der Wahl

Dürfen kleine Kinder Wahlscheine in die Urne werfen? Nein, sagt die Stadt Blieskastel, schließlich gilt das Wahlgeheimnis. Doch muss diese Strenge sein? Augenmaß und Fingerspitzengefühl sind gefordert.

Kolumne: Die Qual bei der Wahl
Foto: SZ/Robby Lorenz

Manchem, der vor der Österreichwahl am Abend zuvor die ARD-Tagesschau gesehen hat, wird der Atem gestockt haben. Denn der öffentlich-rechtliche Sender zeigte zur besten Sendezeit eine Szene aus einem Wahllokal, wo doch tatsächlich ein kleines Mädchen auf den Armen einer Frau den Wahlschein in die Urne geworfen hat. Und dabei schmunzelten die Wahlhelfer sogar noch. Ja, die Österreicher! In Deutschland ist man da schon strenger. So wurde etwa in Lautzkirchen bei der jüngsten Bundestagswahl einem kleinen Bub, der weder des Lesens noch des Schreibens kundig ist, der Wurf in den Urnenschlitz verweigert – mit dem Hinweis, das Kind sei ja schließlich nicht wahlberechtigt.  Auch über einen Fall in Mimbach hat unsere Zeitung berichtet, wo sich eine Wählerin bitterlich beschwert hatte, dass ihre Enkelin im Wahllokal nicht gerne gelitten war. Die Blieskasteler Stadtverwaltung  hat die ehrenamtlichen Wahlhelfer in Schutz genommen, wozu sie fast gezwungen war, weil helle Empörung herrschte. Gerade bei uns in Deutschland sei es nach dem Zweiten Weltkrieg ein hohes Gut, das Recht auf ein Wahlgeheimnis zu haben, es sei aber auch eine gesetzliche Pflicht. Es reiche  aus, wenn ein Kind bereits einen Verständnisgrad aufweise, dass es durch Zeigen  oder Brabbeln sich äußern könne, was eine Person zum Beispiel oben oder unten auf dem Stimmzettel gemalt hat.  Doch was ist mit dem Wahlgeheimnis, wenn sich  jemand am Tresen brüstet, die xy-Partei gewählt zu haben, wenn jemand zu Hause Briefwahl macht und die ganze Familie zuschaut oder  jemand seiner Oma, die im Rollstuhl sitzt, in die Wahlkabine folgt und behilflich ist? Ist es nicht das Risiko der Eltern/Großeltern mit kleinen Kindern im Wahllokal, wenn sie riskieren, dass der Bub oder das Mädchen anschließend „brabbelt“? Verständlich ist, dass die Stadtverwaltung ihren Wahlhelfern den Rücken stärkt. Doch im Vorfeld einer Wahl könnte man die Ehrenamtlichen nicht nur mit den Vorschriften vertraut machen, sondern auch bitten, hier und da feinfühlig zu sein  und Fingerspitzengefühl zu zeigen.

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