Der innere Kampf um die Worte

St Ingbert · Jeder, der selbst schreibt, kennt das: eine Schreibblockade schon beim ersten Satz. Über solche Probleme berichtete der Autor Erasmus Schöfer bei einer Lesung in der St. Ingberter Stadtbibliothek. Der 83-Jährige schilderte etwa, dass er morgens fastet, um danach nicht träge am Schreibtisch zu sitzen.

 Erasmus Schöfer gab bei einer Lesung in der Stadtbücherei Einblicke ins Autorenleben. Foto: Jörg Martin

Erasmus Schöfer gab bei einer Lesung in der Stadtbücherei Einblicke ins Autorenleben. Foto: Jörg Martin

Foto: Jörg Martin

. Wer der schreibenden Zunft angehört, kennt sich mit diesen Begleitumständen bestens aus: Schon der erste Satz beginnt mit einer Schreibblockade. Sodann werden allerlei Tricks bemüht, um das Ganze ins Rollen zu bringen. Bei Schriftstellern ist das ähnlich. Der Autor Erasmus Schöfer las am Dienstagabend in der Stadtbibliothek aus seinem 2010 erschienenen Buch "Der gläserne Dichter". Vor überschaubarer Besucherkulisse hatte sich der 83-Jährige auf Einladung des St. Ingberter Literaturforums (ILF) aufgemacht, das Innerste eines Schriftstellers nach Außen zu kehren.

Dabei schilderte Schöfer die Schattenseiten des Schriftstellerdaseins. Er orientiert sich nicht am erfolgsverwöhnten Bestsellerautor, obgleich dieser - wenn er denn ehrlich vorgehen würde - auch stellenweise bittere Wahrheiten bekennen müsste. Nein, Erasmus Schöfer beschrieb en détail auf bitter-ironische Weise die Psyche des Autoren in seinem Werk. Das beginnt bei solch banalen Dingen, wie dass er das Frühstück weglässt, um hinterher nicht träge am Schreibtisch zu sitzen. Stattdessen lässt er sich von Tagträumen plagen und flüchtet in vermeintlich wichtige Alltagsbanalitäten, indem er aufräumt und Pflanzen vom Läusebefall befreit.

Lieber die Post aus dem Briefkasten nehmen oder das Zimmer aufräumen? Vielleicht doch besser Letzteres. In der Post finden sich eh meist nur Absagen, Rechnungen, Erinnerungen von Verlagen oder Hiobsbotschaften von Lektoren. Erasmus Schöfer, Träger des Merziger Gustav-Regler-Preises 2008, beschrieb den inneren Kampf von Autoren, die während eines oftmals mühseligen Prozesses mitunter mehr als vier Stunden brauchen, um ein paar Worte in die Tastatur zu hämmern. Selbstdisziplin, auch darüber wurden schon zahlreiche Bücher geschrieben, ist ein heißes Eisen. "Eat the Frog" ist das neudeutsche Schlagwort dafür und meint frei übersetzt, das Wichtigste - gleichsam das Unangenehme - zuerst anzugehen. Das Buch sei eine bittere Charakteristik des Schriftstellerdaseins.

Es wirke fast depressiv, meinte ILF-Chef Professor Gerhard Sauder bei der anschließenden Fragerunde. Doch der Schriftsteller gab zuvor noch eine Zugabe. Er las aus seinem Werk "Winterdämmerung". Bei letzterem handelt es sich um den vierten Teil der Tetralogie aus der Reihe "Die Kinder des Sisyfos", eine mehrbändige Romanreihe über die deutsche und europäische Geschichte zwischen 1968 und 1989.

In "Winterdämmerung" geht es um die Schließung des Krupp-Stahlwerkes in Duisburg-Rheinhausen. Schöfer bewahrt Erinnerungen an die Linke, zeigt aber auch ihr Scheitern auf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort