Stadtrat St. Ingbert Demo fordert Debatte über Flüchtlinge

Exklusiv | St. Ingbert · Obwohl die Forderung, St. Ingbert solle zum „Sicheren Hafen“ für Flüchtige werden, nicht auf der Tagesordnung des Stadtrates stand, bewegte das Thema am Dienstagabend die politischen Gemüter.

 Rund 50 Teilnehmer unterstützten am Dienstagabend die Kundgebung der „Seebrücke Saar“ vor der St. Ingberter Stadthalle.

Rund 50 Teilnehmer unterstützten am Dienstagabend die Kundgebung der „Seebrücke Saar“ vor der St. Ingberter Stadthalle.

Foto: Elmar Müller

Es waren schwere Vorwürfe in Richtung des St. Ingberter Oberbürgermeisters Ulli Meyer (CDU), die am späten Dienstagnachmittag bei einer Kundgebung der Aktion „Seebrücke Saar“ vor der St. Ingberter Stadthalle zu hören waren. Diese fand eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung des St. Ingberter Stadtrates statt. Vor etwa 50 Interessierten warf „Seebrücke-Aktivistin“ Emma Schulz dem OB ein „antidemokratisches Politikverständnis“ vor.

Schulz erinnerte daran, dass die St. Ingberter Fraktion der Partei Die Linke im Stadtrat über die Aufnahme von Flüchtlingen in der Stadt St. Ingbert und den Beitritt der Stadt in das europaweite Bündnis „Sicherer Hafen“ diskutieren wollte und einen entsprechenden Resolutionsantrag gestellt habe. Meyer habe dies aber mit bürokratischen Tricks verhindert. Gegenüber unsere Zeitung hatte der Chef im Rathaus erklärt: „Man kann nur das auf die Tagesordnung setzen, was auch in unsere Kompetenz als Gemeinde fällt“ (wir berichteten).

Der Linke-Kommunalpolitiker Siegfried Becker, er ist Mitglied des Ortsrates St. Ingbert-Mitte, appellierte bei der Kundgebung an den Christen Ulli Meyer, doch den Menschen in Not die Hand zu reichen. Dem Juristen Ulli Meyer rief Becker entgegen: „Es geht hier nicht vorrangig um eine Frage des Kommunalrechts, sondern um eine Frage der Menschenwürde, und die steht an oberster Stelle unseres Grundgesetzes.“

In St. Ingbert, so Becker weiter, seien immer mehr Menschen überzeugt, dass man eine solch große Frage von humanitärer Bedeutung nicht der Bundesregierung überlassen dürfe. Gerade die Kommune biete die Möglichkeit, dass ihre Bürger innerhalb und außerhalb der Räte Fragen wie Flucht und Vertreibung, Krieg und Frieden miteinander diskutierten, um so eine Meinungsbildung von unten nach oben zu gewährleisten. Dies wäre auch ein Mittel, der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.

Und obwohl das Thema in der Stadtratssitzung nicht auf der Tagesordnung stand, wurde auch dort über die Thematik gesprochen. Linke-Fraktionssprecherin Isabell Schaan zeigte sich enttäuscht, dass der Resolutionsantrag der Linken wieder nicht auf der Tagesordnung stehe. Ein solcher Antrag sollte immer Gehör finden. Hier gehe es nicht um irgendein Thema, sondern darum, sich mit Menschen auf der Flucht solidarisch zu zeigen. Je mehr Städte und Gemeinden sich diesem Bündnis anschließend würden, desto größer werde der Druck auf die Bundesregierung und auch auf Europa zu handeln. Und sie erinnerte an den Wahlspruch des Saarlandes: „Großes entsteht im Kleinen.“

Und auch bei der Bürgersprechstunde gab es von Rosel Stief, die sich seit vielen Jahren in St. Ingbert für Flüchtlinge engagiert, den Appell an OB Ulli Meyer, St. Ingbert möge doch diesem Bündnis beitreten. Dieser Beitritt, so Stief, sei wichtig für die Außenwirkung und verbessere das Ansehen der Stadt. An den OB gewandt sagte Rosel Stief: „Springen Sie über ihren Schatten.“ Der St. Ingberter Oberbürgermeister stellte klar: „Es berührt mich, wenn ich die menschlichen Schicksale sehe. Ob es Kinder in Moria, Frauen in Weißrussland, Studenten in Hongkong sind, oder wo auch immer auf der Welt. In unserer Kompetenzordnung muss der Bund aber die Antwort geben und nicht wir als Stadt St. Ingbert. Es gilt: Ein Stadtrat ist kein Bundestag.“

Bereits vor der Sitzung in der Stadthalle hatten die St. Ingberter Grünen in einer Pressemitteilung deutlich gemacht, dass die seit Monaten im Stadtrat stattfindende Diskussion um Formalien im Zusammenhang mit St. Ingberts möglichem Beitritt zum Bündnis Seebrücke niemanden helfe und schon gar nicht den Betroffenen. „Die Idee, St. Ingbert zum ,Sicheren Hafen‘ für geflüchtete Menschen auszurufen, unterstützen und begrüßen wir“, so der Vorsitzende der St. Ingberter Grünen, Rainer Keller.

 Auch das St. Ingberter Bündnis für Weltoffenheit unterstützte die Forderung, der Stadtrat solle sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen befassen.

Auch das St. Ingberter Bündnis für Weltoffenheit unterstützte die Forderung, der Stadtrat solle sich mit der Aufnahme von Flüchtlingen befassen.

Foto: Elmar Müller

Er verweist darauf, dass der OB das Landesverwaltungsamt gebeten habe zu überprüfen, ob der Stadtrat eine Resolution zum Beitritt St. Ingberts zum Bündnis Seebrücke überhaupt beraten dürfe. Keller: „Ich erwarte daher mit Spannung die Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes und hoffe auf eine grundsätzliche Entscheidung, die Signalcharakter für alle saarländischen Gemeinderäte haben könnte, wie zukünftig mit solchen Resolutionen umzugehen sein wird.“

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