Kinowerkstatt Eine Ikone der französischen Literatur

Homburg/St. Ingbert · Die Kinowerkstatt zeigt am Wochenende die beiden Filme „Colette“ und „Womit haben wir das verdient?“.

 Keira Knightley in der Rolle der Sidonie-Gabrielle Colette und Dominic West als Willy in einer Szene des Films „Colette“, zu sehen am Wochenende in der Kinowerkstatt St. Ingbert.

Keira Knightley in der Rolle der Sidonie-Gabrielle Colette und Dominic West als Willy in einer Szene des Films „Colette“, zu sehen am Wochenende in der Kinowerkstatt St. Ingbert.

Foto: dpa/-

Die Kinowerkstatt in St. Ingbert zeigt am Freitag, 15. Februar, und am Samstag, 16. Februar, jeweils um 20 Uhr, am Sonntag, 17. Februar, und Montag, 18. Februar, jeweils um 18 Uhr noch einmal „Womit haben wir das verdient? - Nicht auch das noch“ (Österreich 2018). Für die Wienerin Wanda (Caroline Peters), überzeugte Atheistin und Feministin, wird ihr schlimmster Albtraum wahr, als ihre Teenagertochter Nina zum Islam konvertiert, von nun an Fatima heißen und Schleier tragen möchte. Sie stellt die Frage: „Hätte sie nicht wenigstens Christin werden können?“ und „Womit haben wir das verdient?“ Wandas wunderbare Welt des besseren Wissens steht Kopf. Plötzlich dreht sich alles um die Frage: Wie bringt man das Mädchen zur Vernunft? So ernst meint es Nina plötzlich mit der Religion, dass es selbst die echten Muslime mit der Angst bekommen. Und so findet Wanda eine unwahrscheinliche Mitstreiterin in der Muslima Hanife, der Mutter von Ninas Freundin Maryam, die für Frauenrechte im Islam kämpft und Ninas Radikal-Religionskur für einen schlechten Einfluss auf ihre Tochter hält.

Die Hauptrolle in dem Film „Colette“ (Großbritannien/USA 2018) unter der Regie von Wash Westmoreland spielt Keira Knightley. Zu sehen ist „Colette“ am Sonntag, 17. Februar, und am Montag, 18. Februar, jeweils um 20 Uhr. Die Filmbiografie handelt vom Leben der französischen Schriftstellerin Sidonie-Gabrielle Colette, kurz Colette. Colette war eine französische Schriftstellerin, Varietékünstlerin und Journalistin. Bei einer Reise nach Paris lernte sie 1889 im Alter von 16 Jahren den fast doppelt so alten Henry Gauthier-Villars kennen, der sich unter dem Pseudonym „Willy“ einen Namen als Journalist und Schriftsteller gemacht hatte. 1893 heiratete sie ihn. Rasch erkannte er ihr Talent und ließ sie unter seinem Pseudonym ab 1896 eine Serie von zunehmend erfolgreichen Romanen verfassen, die in der Ich-Form und mit vielen autobiografischen Elementen die Geschichte einer jungen Frau erzählen: „Claudine à l‘École“, „Claudine à Paris“, „Claudine en Ménage“ und „Claudine s’en va“, die in der deutschen Übersetzung als „Claudine erwacht“, „Claudine in Paris“, „Claudine in der Ehe“ und „Claudine geht“ verlegt wurden.

Reto Baer vom SRF bemerkt: „Ihre Claudine-Romane wirkten Anfang des 20. Jahrhunderts auf junge Frauen ähnlich stark wie über 100 Jahre zuvor Goethes ‚Die Leiden des jungen Werther’ auf Männer.“ Willy und sie lebten gut vom Produkt Claudine, dem Buchverkauf wie auch dem Merchandising. So wurden sogar Claudine-Seifen hergestellt, und bis heute heißen die weißen Kragen an Kleidern Claudine-Kragen. Später trat Colette auf zahlreichen Varietébühnen in Paris und der Provinz des Öfteren zusammen mit der zehn Jahre älteren Mathilde, genannt „Missy“ auf, der sehr unkonventionell lebenden Tochter eines Halbbruders von Napoléon III. Als sich die beiden 1907 im „Moulin Rouge“ bei der Aufführung einer Pantomime mit dem Namen „Rêve d‘Égypte“ küssten, gab es einen Tumult, zu dessen Beilegung die Polizei gerufen werden musste. Das Stück wurde in Folge des Skandals abgesetzt. Colette und Missy konnten ihr Verhältnis nur verdeckt weiterführen. 1909 begann Colette mit „La Vagabonde“ („Die Vagabundin“) einen weiteren autobiografischen Roman, in dem sie in der Ich-Form die Existenz einer enttäuschten geschiedenen Ehefrau, Varietékünstlerin und Angebeteten eines reichen Erben darstellt.

Der Film spart die Geschehnisse nach der Trennung Colettes von ihrem Ehemann aus. Später war sie zur großen alten Dame der französischen Literatur der ersten Jahrhunderthälfte avanciert, schrieb und publizierte, wurde gelesen und verfilmt, hielt Vorträge und reiste, geehrt wie kaum eine andere Schriftstellerin vor ihr. 1945 wurde sie als zweite Frau eines der zehn Mitglieder der Académie Goncourt, im Jahr 1949 deren Vorsitzende. Colette starb im Jahr 1954 und bekam als erste Frau in Frankreich ein Staatsbegräbnis.

In Frankreich ist Sidonie-Gabrielle Colette so etwas wie ein Nationalheiligtum. Die Schriftstellerin gehört zu den wenigen Frauen, nach denen in Paris nicht nur eine Straße, sondern der Platz direkt vor der Comédie-Française benannt wurde. Colette ist auch jene Frau, die Simone de Beauvoir in „Le deuxième sexe“ (Das andere Geschlecht) am häufigsten zitierte. Sie schrieb Dinge und Gedanken auf, die sich Frauen bis dahin höchstens ganz leise beim Nasepudern zugeflüstert hatten. Und brach damit Türen auf, die man danach nicht mehr so einfach zuschlagen konnte. Sie schrieb Romane, die man in Frankreich als junges Mädchen liest, deren frivoles Genie man aber erst viel später versteht.

Die Rolle der Gabrielle Colette ist eine, die Keira Knightley über viele Jahre hinweg gesucht hat: Eine starke, selbstbewusste Frau, die sich von den Zwängen der Gesellschaft, aber auch ihres Mannes freikämpft – und das, obwohl sie in einer sehr lockeren Beziehung lebte, die ihr (fast) alle Freiheiten ließ. Aber eine eben nicht: Sie konnte ihre Werke nicht unter ihrem Namen publizieren. Colette ist ein sehenswerter Film mit zwei herausragenden Darstellern, der von längst vergangener Zeit erzählt und dennoch aktuell ist.

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