Interview mit Ingo Nietert, dem Kulturamtsleiter in St. Ingbert Auch in der Krise ein Kultur-Ermöglicher bleiben

Vor einem Jahr hat die SZ Ingo Nietert hat als neuen Leiter der Abteilung Kultur über der Stadtverwaltung in St. Ingbert vorgestellt. Als neuer „Kulturabsage-Leiter“wurde er damals – mitten in der ungewissen Corona-Pandemie – tituliert. Wir haben nachgefragt, wie es aktuell beim Kulturamt aussieht.

 Ingo Nietert, Leiter der Abteilung Kultur der Stadt St. Ingbert, hier in der Stadthalle, freut sich bereits auf den Kleinkunstwettbewerb um die St. Ingberter Pfanne im September.

Ingo Nietert, Leiter der Abteilung Kultur der Stadt St. Ingbert, hier in der Stadthalle, freut sich bereits auf den Kleinkunstwettbewerb um die St. Ingberter Pfanne im September.

Foto: BeckerBredel

Wie ist es der Kultur in St. Ingbert in den vergangenen zwölf Monaten ergangen? Wie könnten Sie diese Zeit beschreiben?

Nietert: Wie für alle Menschen waren die vergangenen Monate auch für uns ein Wechselbad der Gefühle. Einschränkungen waren gefolgt von hoffnungsvollen Entwicklungen und erneuten Rückschlägen. Natürlich war es für die Künstlerinnen und Künstler, wie auch für uns frustrierend, wenn sich die Hoffnung auf die Durchführbarkeit eines Konzertes, einer Theater-, Kinder- oder Kleinkunstveranstaltung kurzfristig wieder zerschlugen. Alle Planungen wurden teilweise mehrfach über den Haufen geworfen, um sie sogleich wieder aufzunehmen. Allerdings hatten wir in der Kulturabteilung der Stadt St. Ingbert immer das Ziel, möglichst viele Kulturveranstaltungen lediglich zu verschieben anstatt endgültig abzusagen. Dabei wollten wir aber auch stets in der Lage sein, sehr kurzfristig im Rahmen der gegebenen Rahmenbedingungen reagieren zu können, um unsere Aufgabe, nämlich Kultur in St. Ingbert zu ermöglichen, zu erfüllen.

Wie groß war die Unterstützung für die Kultur innerhalb der Verwaltung vor allem auch durch die Kommunalpolitik? Wurde das kulturelle Schaffen vor Ort als System relevant begriffen?

Nietert: Innerhalb der Verwaltung war die Unterstützung auch unter den erschwerten zusätzlichen Corona-Bedingungen immer da. Alle Projekte einer Stadtverwaltung, auch Kulturprojekte sind grundsätzlich immer ein Ergebnis einer funktionierenden Zusammenarbeit einer Vielzahl von Bereichen. Dabei darf der Blick auf die Kultur nicht nur verengt auf Kulturveranstaltungen gerichtet werden. Die Stadtverwaltung ist auch „Kulturermöglicher“. Deshalb sind während der gesamten Krise immer wieder Initiativen im Bereich der Kultur und kulturellen Bildung nicht nur der Kulturabteilung mit Stadtbücherei, Musikschule oder Stadtarchiv angestoßen worden, sondern auch von einer Vielzahl anderer Bereiche, etwa von der Abteilung Vereine, der VHS oder der Kinder- und Jugendpflege bis hin zum Oberbürgermeister, der zahllose Gespräche und Videokonferenzen geführt hat, um Kultur, kulturelles Leben und kulturelle Bildung im wahrsten Wortsinne am Leben zu erhalten. Ich denke und hoffe, dass diese Krise allen Menschen auch außerhalb unserer Verwaltung, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen, klar gemacht hat, dass Kultur für eine funktionierende Gesellschaft in höchstem Maße relevant ist.

Ganz so tot, wie man glauben wollte, war es in der Kulturstadt St. Ingbert wohl doch nicht. Was hat ihre Abteilung trotz Pandemie organisieren können?

Nietert: Das stimmt. Durch unsere Strategie, möglichst schnell und flexibel reagieren zu können, waren wir in der Lage, im vergangenen Jahr die Zeitfenster, in denen es möglich war, Kultur und kulturelle Bildung anzubieten. Die Musikschule hat fast durchgängig in vielen Bereichen Unterricht angeboten, in Präsenz und während der Schließung auch online. Die Stadtbücherei war für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger auch in Zeiten als fast alles zu war ein wichtiger Hoffnungsanker. Die Kulturabteilung hat im letzten Sommer erstmals einen Kultursommer im Innenhof der ehemaligen JVA ins Leben gerufen. Dieser befindet sich als Koproduktion mit dem Stadtmarketing aktuell in seiner zweiten Ausgabe und soll quasi als positive Nebenwirkung der Pandemie erhalten bleiben. Im September konnten wir die St. Ingberter Pfanne, unser sehr renommierter Kleinkunstwettbewerb, mit 450 anwesenden Personen durchführen, was zu der Zeit schon als Corona-Großveranstaltung angesehen werden konnte und, wie ich glaube, zu dem Zeitpunkt einzigartig im Saarland war. Übrigens wird auch in diesem September die St. Ingberter Pfanne wieder in der Industriekathedrale der Alten Schmelz stattfinden. Als wirklich gar nichts ging, haben wir kurzerhand einige Veranstaltungen aus der Stadthalle gestreamt oder auch mal ein Puppentheater für Kinder als Weihnachtspräsent kostenlos auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt.

Was ist in den kommenden Wochen konkret geplant?

Nietert: Neben unserem eben schon erwähnten Kultursommer in der ehemaligen JVA, der begonnen hat, und der St. Ingberter Pfanne im September starten nach und nach auch wieder unsere regulären Veranstaltungsreihen, so etwa „A la minute“, unsere Kleinkunstreihe. Den Auftakt hat „Quichotte“ am in der Stadthalle bereits gemacht. Die Theatersaison beginnt zwar erst am 24. September, aber dann mit einer voll geplanten Saison. Lediglich die Abonnements müssen wegen der Unsicherheiten bei den zulässigen Zuschauerzahlen noch pausieren. Erfreulicherweise halten uns unsere Abonnenten fast ausnahmslos alle trotzdem die Treue! Die St. Ingberter Kinder kommen am 1. August schon früher zu ihrem Theatergenuss. Eingebunden in den JVA-Kultursommer startet die Kindertheater-Saison mit einem Puppentheater.

Welche Veranstaltungsorte werden bespielt?

Nietert: Unsere Hauptspielorte sind nach wie vor die Stadthalle, die Industriekathedrale und der Innenhof der ehemaligen JVA ind St. Ingbert sowie das Kulturhaus in Rentrisch. Wir haben aber die Corona-Krise genutzt und uns noch die ein oder andere zusätzliche „Location“ ausgeguckt. Man kann also gespannt bleiben.

Chef von Kulturamt in St. Ingbert hat Strategie für Zeit nach Corona
Foto: Schetting

Kann man mit der nächsten Austragung des Kleinkunstwettbewerbs um die St. Ingberter Pfanne vielleicht schon sagen: Die Kultur ist über den Berg?

Niertert: Das ist schwer zu sagen. Denn wie in vielen anderen Bereichen auch ist das Ausmaß des durch die Pandemie angerichteten „Flurschadens“ noch gar nicht in Gänze abzusehen. Sicherlich wird die gesamte Branche noch lange an den Nachwirkungen „zu knabbern haben“. Denn nach wie vor ist das Ende der Pandemie ja noch gar nicht erreicht und bei allen Bemühungen aller Kulturschaffenden ist ein Durchstarten „mit voller Kraft voraus“ noch nicht möglich. Außerdem ist zu befürchten, dass nach der Pandemie viele Akteure gar nicht mehr aktiv sein werden. Trotzdem blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Denn gerade Künstlerinnen und Künstler reagieren auf Herausforderungen immer mit kreativen und so manch unerwarteter Lösung.

Im vergangenen Jahr haben Sie angekündigt, neue Akzente setzen zu wollen. Was ist aus diesem Plan geworden?

Nietert: Der Wunsch besteht noch immer und wird auch weiter umgesetzt, wenn wir wieder richtig loslegen können. Mit dem Kultursommer, der uns Kultur im Freien auch während der Pandemie ermöglicht, ist schon ein Wunsch in Erfüllung gegangen. Neben den etablierten „Leuchttürmen“ möchte ich zum Beispiel gerne eine Reihe mit „klassischer“ Musik einrichten, etwas, was bisher in unserem Portfolio tatsächlich noch nicht vertreten ist.

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