Bruckner-Messe vor vollem Haus

Blieskastel. Zwei Jahrzehnte gibt es sie nun schon, die künstlerisch sehr erfolgreichen und beim Publikum außerordentlich beliebten "Blieskasteler Schlossbergkonzerte"

Blieskastel. Zwei Jahrzehnte gibt es sie nun schon, die künstlerisch sehr erfolgreichen und beim Publikum außerordentlich beliebten "Blieskasteler Schlossbergkonzerte". Heute kann sich das achttägige Musikfestival unter der Ägide seines künstlerischen Leiters Christian von Blohn unbestritten als kulturelles Leuchtturmprojekt präsentieren mit Profil und Strahlkraft über die Barockstadt hinaus. Das festliche Abschlusskonzert des zwölften Konzertreigens unter anderem mit dem restlos ausverkauften Auftritt der King's Singers beschlossen am Sonntagabend in der spätbarocken Schlosskirche das Collegium Vocale Blieskastel sowie Bläser der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern unter der Leitung von Festivalchef Christian von Blohn. Dass die Schlosskirche trotz abendlichen Schönwetters und gleichzeitigen Final-Fußballfiebers der Champions-League gleichwohl bis fast auf den letzten Platz gefüllt war, bestätigte einmal mehr die hohe Akzeptanz, die das Projekt inzwischen auch in der Breite des regionalen Musikpublikums genießt.Auf dem Programm stand Anton Bruckners zweite, 1866 komponierte Messe in e-Moll für achtstimmigen gemischten Chor und sinfonisches Blasorchester. Im Gegensatz zu den beiden übrigen Orchestermessen Bruckners in d-Moll und f-Moll (jeweils mit vollständiger Streicherbesetzung) weist die e-Moll-Messe stark archaische Züge auf, indem sie sich einerseits enger an die Gregorianik, andererseits aber auch an die A-Cappella-Tradition Palestrinas anlehnt.

Dem späteren Symphoniker Bruckner konnte man in dieser Messkomposition folglich nur in begrenztem Umfang begegnen. Der strenge caecilianistische Kompositionsstil begründet zugleich jedoch eine Reihe erheblicher aufführungspraktischer Herausforderungen: Der Chor hat über weite Strecken (Kyrie, Sanctus, ...) a cappella, also gänzlich unbegleitet zu singen und darf sich rein intonatorisch mit Blick auf die punktuellen Bläsereinsätze keinerlei Schwächen erlauben. Die Blieskasteler Vokalisten meisterten all diese Klippen mit Bravour.

Die professionellen Bläser der Deutschen Radiophilharmonie agierten unter dem umsichtigen Dirigat von Blohns erwartungsgemäß souverän und präzise, mal abgesehen von einem "verzählten`` Horneinsatz, und gegenüber dem Chor niemals zu dominant oder gar martialisch auftrumpfend.

Etwas zu zögerlich

Der "attacca" zu gestaltende Resurrexit-Einsatz (Frauenstimmen) im Credo kam vielleicht etwas zögerlich. Dies mochte die weitaus überwiegenden Höhepunkte dieser rundum als gelungen zu bezeichnenden Aufführung in keiner Weise zu relativieren. Zu diesen zählten fraglos die strahlende Schlussfuge des Gloria oder die hinreißend-romantischen Lyrismen im Credo (Christus factus/Crucifixus); bemerkenswert ebenso die durchweg kultivierte Klangbalance zwischen Frauen- und Männerchor in allen Teilen und die besondere Fähigkeit des Chores, ein berückendes lupenreines Pianissimo zu gestalten, so auch am Schluss des Agnus. Mit ihm klang das Werk ganz und gar im Sinne eines musikalisch tief verinnerlichten Friedensgebetes aus. Gewissermaßen als Introduktion vor dem rund fünfzigminütigem Chorstück spielte auf der Schlosskirchenorgel Christian von Blohn den "Choral" aus der zehnten Orgelsymphonie (Ostersymphonie über "Haec dies" des Franzosen und Bruckner-Zeitgenossen Charles-Marie Widor). Allerdings vermochten registriertechnisches Raffinement im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten und agogische Fantasie des Interpreten über die eklatanten Mängel des nach heutigen künstlerischen Maßstäben doch stark revisionsbedürftigen Instrumentes nicht hinwegtäuschen. Das Publikum bedankte sich bei allen Mitwirkenden mit herzlichem Applaus.

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