Bravourös und zupackend

St. Ingbert. Kaum ein Musikwerk vermochte seine Gattung fortan so nachhaltig zu prägen wie Wolfgang Amadeus Mozarts heute allüberall vermarktete große "Totenmesse in d-Moll". Und dies mit der Konsequenz, dass keine der nachfolgenden Komponisten-Generationen an diesem emblematischen Werk der katholischen Musica Sacra mehr vorbeikam. Die evangelische Kantorei St

 Mozarts "Totenmesse in d-moll" war in der Martin-Luther-Kirche zu hören. Foto: Wolfram Adolph

Mozarts "Totenmesse in d-moll" war in der Martin-Luther-Kirche zu hören. Foto: Wolfram Adolph

St. Ingbert. Kaum ein Musikwerk vermochte seine Gattung fortan so nachhaltig zu prägen wie Wolfgang Amadeus Mozarts heute allüberall vermarktete große "Totenmesse in d-Moll". Und dies mit der Konsequenz, dass keine der nachfolgenden Komponisten-Generationen an diesem emblematischen Werk der katholischen Musica Sacra mehr vorbeikam.Die evangelische Kantorei St. Ingbert hat sich im Themenjahr 2012 "Reformation und Musik" innerhalb der Lutherdekade der EKD unter ihrem Leiter Helmut Haag nun ein zweites Mal in Folge einem Höhepunkt des katholischen Kirchenmusik-Repertoires zugewandt. Hierbei fügte sich die eher clavinische Kargheit des schmucklosen Kirchenraums der Martin-Luther-Kirche stimmig zur Melancholie der düster-ernsten d-Moll-Grundstimmung der Mozartschen Begräbnismusik (eine Ausnahme bildete lediglich das strahlende D-Dur des nicht von Mozart stammenden "Sanctus"). Angesichts der nicht ganz abendfüllenden Länge des Werkes stellt sich zwangsläufig die Frage: Was hat neben - oder gar nach - diesem Opus magnum des Komponisten überhaupt noch Bestand?

Einen überzeugenderen Weg ging Helmut Haag, indem er Mozarts ebenfalls recht späte Motette Ave Verum Corpus (KV 618) mit Streicherbegleitung (eigentlich auch mit Orgel!) in das ohnehin sekundäre Requiems-Kompilat sinnreich in die Chrosequenz "Lacrimosa" einbettete.

Im Vordergrund des arienlosen Requiems steht der konsequent vierstimmige Vokalsatz, der von den Sängerinnen und Sängern der Kantorei bravourös und zupackend gestaltet wurde. Deklamatorische Textpräsenz und hohe artikulatorische Präzision zeichneten den zwischen den Stimmgruppen klanglich bestens ausbalancierten Chor durchweg aus. Die großen Chorfugen (Kyrie; Cum sanctis tuis) wurden von Haag in erfreulich zügigem Tempo - Mozart selbst schreibt Allegro vor! - angegangen, wobei insbesondere das Frauenstimmenregister durch vorbildlich gestützte Koloraturbewältigung gefiel.

Kraftvoller Einsatz

Der kraftvolle, absolut punktgenau geglückte Einsatz des Dies irae - mit vollem Orchester und Chor (und Paukenschlag!) - inititierte die vom Komponisten intendierte apokalyptische Wucht. Die monumentalen Chor-Rufe wurden durch das Tremolo im Orchester und synkopierte Einwürfe in den Chorpausen zusätzlich gesteigert. Etwas zaghaft bis indifferent zeigte sich der Chor (Soprane) hingegen im Rex tremendae: "salva me".

Gewisse Koordinierungsschwierigkeiten bei der Synchronisierung von Orchester (Streicher!) und Chor gab es ebenso im komplexen Satzgefüge des "Domine Jesu", dessen Einsatz hörbar gelitten hatte. Das Solistenquartett überzeugte als Ensemble durch weitgehende Ausgewogenheit. Vinzenz Haab gab einen markanten "nachtschwarzen", fantastisch grundierenden Requiem-Bass, Martin Steffan sang dagegen einen expressiven und obertonreichen, bisweilen auch kopftönigen Tenor.

Die überzeugendste vokale Solistenpartie gestaltete an diesem Abend Angela Lösch mit dem sehr angenehmen, dunkel-melancholischen Timbre ihrer schönen Altstimme, wohingegen Anne Kathrin Fetik mit einem durchgängig recht vibratofreudigen, zierlichen Sopran aufwartete.

Das Neue Saarländische Kammerorchester begleitete durchweg professionell und mit gewohnter Zuverlässigkeit. Schade nur, dass die Continuo-Gruppe auf die vom Komponisten für beide Werke explizit vorgesehene (Continuo-)Orgel diesmal verzichten musste. Dem Gesamtklang, zumal angesichts der deutlich kammermusikalischen - hier aber vollends ausreichendend - Besetzungsstärke hätte sie fraglos gut getan.

Rundum gelungen

Insgesamt und primär war diese rundum gelungene Requiemaufführung ein schlagender, klingender Beweis dafür, dass sich die evangelische Kantorei St. Ingbert in ihrer augenblicklichen musikalischen Verfassung und sängerischen Leistungsstärke ohne Zweifel in die erste Riege der saarländischen Laienchöre einreihen darf. So vermochten Dirigent und Musiker den anhaltenden Begeisterungsstürmen des Publikums in der vollbesetzten Martin-Luther-Kirche auch nur mit Mühe zu widerstehen.

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